Neueste Forschung zeigt: Klimawandel nicht Auslöser des syrischen Bürgerkriegs
7. September 2017, von CEN Universität Hamburg

Foto: pixabay
Laut der jetzt in Political Geography veröffentlichten Studie ist wissenschaftlich nicht belegt, dass der globale Klimawandel zur Entstehung des Bürgerkriegs in Syrien beigetragen hat.
Seit 2015 haben Behauptungen, von der Presse kolportiert, beträchtlich an Zugkraft gewonnen: Eine große Dürre, die die durch den vom Menschen gemachten Klimawandel ausgelöst wurde, sei demnach Mitverursacher des Syrienkonflikts. Jüngst wiederholt von Al Gore, dem ehemaligen Vizepräsidenten der USA. Eine Studie der University of Sussex unter Leitung von Professor Jan Selby, Direktor des Sussex Centre for Conflict and Security Research, bringt frischen Wind in die Forschung. Sie stützt sich auf die Neuanalyse bisheriger Ergebnisse sowie auf die Auswertung syrischer Daten zum Niederschlag und Erfahrungen syrischer Flüchtlinge.
Jan Selby erklärt: „Unserer Studie zufolge gibt es keinen fundierten Nachweis, dass der globale Klimawandel zum Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs beigetragen hat. Angesichts der dünnen wissenschaftlichen Beweislage ist wirklich bemerkenswert, wie diese Hypothese sich breitenwirksam durchsetzen konnte.“
„Der globale Klimawandel ist eine echte Herausforderung, die sich zweifellos in bedeutenden Konflikten und Sicherheitsveränderungen auswirken wird. Aber es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass dies in diesem Fall geschah. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Kommentatoren und politische Akteure der Versuchung widerstehen, wilde Vermutungen zum Konfliktpotenzial des Klimawandels anzustellen. Überzogene Darstellungen, ohne genaue wissenschaftliche Überprüfung der Faktenlage, bergen das Risiko, den Klimaskeptizismus zu befeuern“.
Selby forschte gemeinsam mit Christiane Fröhlich vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg, Omar Dahi vom Hampshire College, USA und Mike Hulme vom King’s College London, UK. Erschienen in einer Sonderrubrik von Political Geography, der weltweit führenden Fachzeitschrift für Studien zu Verflechtungen von Klima- und Konfliktgeschehen, finden sich darin auch Reaktionen dreier angesehener US-Wissenschaftler sowie eine schlagfertige Erwiderung seitens Selby und seiner Kollegen – alle für eine begrenzte Zeit frei zugänglich.
Der Fachartikel zeigt:
1. Obwohl der Nordosten Syriens vor dem Bürgerkrieg eine extreme Dürre erlebte, muss diese Trockenperiode nicht unbedingt durch menschliche Einflüsse auf das globale Klima entstanden sein.
2. Zwar trug die Dürre von 2006/07 bis 2008/09 zur Abwanderung aus dem Nordosten Syriens bei. Dies hatte jedoch weitaus geringere Ausmaße als behauptet. Wahrscheinlich migrierten vierzig- bis sechzigtausend Familien statt der vielzitierten 1,5 Millionen Menschen. Obendrein war nicht Dürre, sondern eher wirtschaftliche Liberalisierung der Auslöser.
3. Es lässt sich nicht überzeugend belegen, dass dürrebedingte Migration den Ausbruch des Bürgerkriegs begünstigte.
Mike Hulme hatte am King’s College die ursprüngliche Analyse der syrischen Niederschlagsdaten durchgeführt, welche die drei Jahre andauernde Dürre geografisch und zeitlich präzise eingrenzte. Er stellt fest: „Die Dürre im nordöstlichen Syrien war sicherlich äußerst heftig, muss aber nicht zwangsläufig einen Austrocknungstrend anzeigen und kann nicht zweifelsfrei Treibhausgas-Emissionen zugeschrieben werden.“
Christiane Fröhlich vom CEN der Universität Hamburg befragte syrische Flüchtlinge in Jordanien zu ihren Erfahrungen mit der Dürre vor dem Bürgerkrieg. Fröhlich sagt: „Wir müssen die durchlebten Erfahrungen der von globalen Umweltveränderungen betroffenen Menschen in die wissenschaftliche Untersuchung der Klimaerwärmung einbeziehen. Nur so können wir umfassender verstehen, wie unterschiedlich deren Folgen für einzelne Teile einer Gesellschaft sind“.
Omar Dahi am Hampshire College führt aus: „Viele Aspekte der Lage in Syrien vor und nach dem März 2011 werden leichthin als faktisch angenommen, obwohl kaum belegt. Die Klimawandel-Hypothese zählt dazu, endlos wiederholt ohne korrekten Datenabgleich“.
Mit freundlicher Genehmigung der University of Sussex.
Fachartikel: Selby J., Dahi O., Fröhlich C., Hulme M. (2017): Climate change and the Syrian civil war revisited; Political Geography, V 60, 232–244, https://doi.org/10.1016/j.polgeo.2017.05.007
Erwiderung: Selby J., Dahi O., Fröhlich C., Hulme M. (2017): Climate change and the Syrian civil war revisited: A rejoinder; Political Geography, V 60, 253–255, https://doi.org/10.1016/j.polgeo.2017.08.001
Kontakt:
Dr. Christiane Fröhlich