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Energie, Emissionen und Emissionshandel
2024-03-28T00:00:00+01:00
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/32484149
2022-11-02T11:10:53+01:00
Mehr Methan aus Sibirien im Sommer
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/32484484/tsachs-samoylov-fluxtower3-733x414-60335ad8667d64afdc22aabcbc655e7ee4c40e05.jpg" /><p><strong>Was passiert in den ausgedehnten Permafrostgebieten der Arktis, wenn sich die Atmosphäre mehr und mehr aufheizt? Die Frage treibt die Klimaforschung seit Langem um, da große Mengen Kohlenstoff im gefrorenen Boden enthalten sind, die von Mikroben in die Treibhausgase Methan und CO2 umgewandelt werden können. Werden die Gase freigesetzt, könnte das die globale Erwärmung noch mehr beschleunigen. </strong></p>
<p>Jetzt haben die Forscher Torsten Sachs und Norman Rößger vom Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ) gemeinsam mit Lars Kutzbach von der Universität Hamburg und Kolleg:innen des Alfred-Wegener-Institut in Potsdam Ergebnisse einer fast zwanzigjährigen Beobachtungsreihe in Sibirien veröffentlicht, die tatsächlich zeigen, dass die sommerliche Freisetzung von Methan seit 2004 um knapp zwei Prozent pro Jahr zugenommen hat. Ursache dafür ist allerdings nicht ein massiveres Auftauen des Permafrostes, so die Forschenden, sondern ein früher einsetzendes und verstärktes Pflanzenwachstum aufgrund der erhöhten Lufttemperatur. Die Studie erscheint am 27. Oktober im Fachjournal Nature Climate Change.</p>
<figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/32484474/tsachs-lenadelta-polygonaltundra1-733x414-e7be3dda298c6723f46e15c42732b6cb0989c34f.jpg" alt="" width="218" height="123" /><figcaption class="rechts">Typisch für Permafrost-Landschaften sind die Polygonstrukturen (im Vordergrund), die durch Gefrier- und Auftauprozesse entstehen. Foto: Torsten Sachs/GFZ</figcaption></figure>
<p>Die Daten stammen von der Insel Samoilow im Lena-Delta in Sibirien. Dort steht seit 2002 eine Messstation auf einem eigens dafür errichteten Turm. Zusätzliche Messungen, zum Beispiel der Bodentemperaturen und Auftautiefen, wurden in der Umgebung durchgeführt. Zunächst beschränkten sich die Forschenden mit ihren Messungen nur auf die Sommermonate, da die Winterbedingungen zu harsch und die Anreisen zu problematisch waren. Überdies fehlte eine ganzjährige Stromversorgung. Nach dem Bau einer permanent besetzten Forschungsstation im Jahr 2013 gelang es, die Messreihen nach und nach auf das ganze Jahr auszudehnen. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ist die deutsch-russische Zusammenarbeit eingefroren, so dass niemand genau sagen kann, ob die Messungen dort noch weitergehen.</p>
<p>Für ihre Auswertungen nutzten die Forschenden Daten aus den Jahren 2002 bis 2019. „Wir liefern vermutlich die ersten Belege für einen Anstieg der Methanemissionen aus der frühsommerlichen Tundra über die letzten zwei Jahrzehnte“, schreibt das Team in Nature Climate Change. „Wir können außerdem frühere Vermutungen bestätigen, dass die kalte Jahreszeit zwischen Oktober und Mai auf keinen Fall ignoriert werden darf: Bis zu 39% der Emissionen eines Jahres finden in dieser Zeit statt.“</p>
<p>GFZ-Forscher Torsten Sachs, korrespondierender Autor und einer der Projektleiter, erläutert den Hintergrund: „Wir sehen tatsächlich erstmals anhand gemessener Daten, dass sich in der Arktis etwas beim Methanausstoß tut und dass das auch klar mit der Zunahme der Temperatur zusammenhängt.“ Er schränkt ein: „Wir können aber nur Aussagen über die Sommermonate Juni, Juli und August machen, im September wird es schon unklar und für den Rest des Jahres fehlen uns schlicht ausreichend Daten.“ Damit sei eine Verschiebung von Emissionen innerhalb des Sommers mit höheren Raten in den frühen Sommermonaten klar, aber es lasse sich keine verlässliche Aussage darüber treffen, ob übers Jahr insgesamt mehr Treibhausgas freigesetzt wird.</p>
<p>Die Verschiebung erklären sich die Forschenden mit dem vermehrten Wachstum von Moosen und Riedgräsern, also der klassischen Tundravegetation. Über die Durchwurzelung des Bodens und biochemische Prozesse kommt es demnach zu einem verstärkten Methanausstoß im Juni und Juli. Die Befürchtung, dass der Boden tiefer auftaue, wird von den in der aktuellen Studie analysierten Daten nicht bestätigt. Im Gegenteil: „Wir haben trotz eines Temperaturanstiegs der Luft um 0,3 Grad keinen signifikanten Anstieg der Bodentemperatur festgestellt“, sagt der zweite Projektleiter, Lars Kutzbach vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. Das Team vermutet, dass das stärkere Wachstum der Pflanzen den Boden vor direkter Sonneneinstrahlung schützt. Damit wirke die Vegetation dort wie eine Art Temperaturpuffer.</p>
<p>In der globalen Methan-Bilanz spielen die Permafrostgebiete der Arktis eine kleine Rolle, rund drei Prozent tragen sie zur Belastung der Atmosphäre bei, der Großteil weltweit stammt aus der Landwirtschaft. Generell ist es schwierig, die Emissionen genau zu beziffern. „Umso wichtiger ist es, dass wir über lange Datenreihen zu verlässlichen Aussagen kommen, die wir dann mit den Modellen vergleichen können“, sagt Kutzbach.</p><p>Foto: Torsten Sachs/GFZ</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/30335796
2022-04-26T09:08:06+02:00
Neuer Mechanismus soll CO2-Preise stabilisieren
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/30337010/europe-palace-usa-reiseblogger-733x414-f574a03e9fabc94dd6e4e97ec4fb43a6fe2916d4.jpg" /><p><strong>Ein Mitte 2021 von der EU-Kommission vorgelegter Reformvorschlag für den bestehenden Emissionshandel in den Sektoren Energie und Großindustrie (ETS-1) sowie ein neu einzurichtender Emissionshandel für Verkehr und Gebäude (ETS-2) sehen jeweils ähnlich gestrickte Mechanismen vor, um den Preis zu stabilisieren. Professor Grischa Perino und Dr. Maximilian Willner forschen als Umweltökonomen im Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg. Sie zeigen, dass die vorgeschlagenen Eingriffe nicht geeignet sind, den Markt für Emissionsrechte zu stabilisieren.</strong></p>
<p>Die Autoren nennen fünf Prinzipien für ein robustes und wirkungsvolles Design eines Mechanismus zur Preisstabilisierung: Kontinuität, Vorhersehbarkeit, Symmetrie, Synchronität und Inflationsbereinigung. Perino und Willner haben den vorliegenden Kommissionsvorschlag auf diese Prinzipien hin untersucht. Das Resultat ist eindeutig: In der aktuellen Form ist der Entwurf nicht in der Lage, den Markt für Emissionsrechte und somit auch den Preis zu stabilisieren. Vielmehr könnte der Vorschlag das Gegenteil bewirken: Marktteilnehmende könnten zusätzlich verunsichert werden.</p>
<p>Die Forscher schlagen einen neuen, auf den fünf Prinzipien basierenden Price Containment Mechanism (PCM) vor. Der PCM versucht nicht, spezifische Preise zu erreichen oder vorzugeben – der Markt wird in seiner Funktion also nicht beeinträchtigt. Der PCM ist ein völlig automatischer Mechanismus, der Marktteilnehmenden wie politischen Entscheidungsträger:innen einen klaren Rahmen bietet und die Erwartungsbildung unterstützt.</p>
<p>Konkret vergleicht der PCM den Durchschnittspreis pro Emissionsrecht aus dem jeweils vorangegangenen Quartal mit dem des Vorjahres. Bei einer Preisänderung jenseits einer fixen Aktivierungsschwelle, z.B. +/- 20%, gibt er Emissionsrechte im kommenden Quartal zu den Auktionen hinzu oder hält sie zurück. Dabei passt der PCM die Interventionsmenge kontinuierlich an die beobachtete Preisveränderung an, sodass kleine Unterschiede nicht zu einem plötzlichen Sprung im Umfang des Markteingriffs führen. Anders als die bestehenden Vorschläge ist der PCM zudem symmetrisch und kann auch einen Preisverfall dämpfen.</p>
<p>Ein weiterer Punkt ist die Synchronisierung der Markteingriffe an die jährlich sinkende Emissionsobergrenze des EU-EHS und die fortlaufende Anpassung an die Inflation. Mit dieser Flexibilität kann der PCM längerfristig Stabilität in den Markt bringen. Der PCM ist zudem auch eine lohnenswerte Alternative für die bestehende Marktstabilitätsreserve, da er ihre Funktionen vollständig ersetzen kann.</p>
<p>Mit diesem Vorschlag legen Willner und Perino den Grundstein für eine Reform des EU-EHS, welche die zunehmend offensichtlicher werdenden Design- und Strukturprobleme des Systems nachhaltig korrigiert.</p>
<p><strong>Publikation CEN Policy Brief:</strong><br />Willner M, Perino G: <a href="/research/policy-briefs/bilder-docs/2200425-pcm-policy-brief-cen.pdf" target="_blank">An Upgrade for the EU ETS: Making Art. 29a and 30h fit for effective price containment</a> (pdf)</p><p>Foto: usa-reiseblogger/unsplash</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/29636362
2022-03-14T07:01:14+01:00
CO2-Preis schafft Klimaschutz und mehr Energieunabhängigkeit
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/29638753/2022-03-01-drupp-von-sigurd-rille-auf-pixabay-733x414-6ad05436987c433911ef16d681c3b5ad60d8aa10.jpg" /><p><strong>Die Verteuerung von CO<sub>2</sub>-Emissionen – sei es durch eine Steuer oder einen Emissionshandel, gilt als zentrales politisches Instrument beim Klimaschutz. Sie soll dabei helfen, den Ausstoß des Treibhausgases zu reduzieren und Klimaschäden zu vermeiden – und hat weitere positive Nebeneffekte. Der Umweltökonom Prof. Moritz Drupp vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) untersucht, welcher CO<sub>2</sub>-Preis angemessen ist und hat dazu mit seinen Koautoren eine weltweite Experten-Befragung durchgeführt.</strong></p>
<p><strong> </strong></p>
<figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/29638776/portrait-moritz-drupp-53b6640b98e87b3b23cddb82483b2833dc53e4d5.jpg" alt="" width="237" height="304" /><figcaption>Professor Moritz Drupp ist Umweltökonom am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) ©UHH/Ohme.</figcaption></figure>
<p><strong>Herr Drupp, der Krieg in der Ukraine erschüttert Europa und hat auch viele Auswirkungen auf langfristige Bemühungen. Was heißt das für das Klima?</strong><br />Leider betrifft dies nicht zuletzt auch den Klimaschutz, auch wenn das natürlich aktuell angesichts des Leids des Krieges in den Hintergrund tritt. Dennoch müssen wir weiter für unsere Ziele arbeiten und die Klimakrise in den Griff bekommen. Ein konsequenter CO<sub>2</sub>-Preis hilft uns dabei, dass wir schneller klimaneutral werden und uns gleichzeitig frei machen von der Abhängigkeit autokratischer Regime. Der Krieg macht die Rechnung unter anderem für Autofahrer immer teurer, weil der Ölpreis steigt. Der zentrale Unterschied liegt allerdings darin, dass die staatlichen Einnahmen aus der CO<sub>2</sub>-Bepreisung wieder an die Haushalte zurückgegeben werden können, während die aktuellen Preissteigerungen an Ölfirmen oder autokratische Regime verloren gehen und teilweise auch noch in die Kriegskasse fließen.</p>
<p><strong>Seit Anfang des Jahres greifen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland bereits für Benzin und Diesel tiefer in die Tasche.<br /></strong>In Deutschland startete das nationale Emissionshandelssystem 2021 mit einem Festpreis von 25 Euro pro Tonne CO<sub>2</sub>. Seit Anfang 2022 sind 30 Euro je Tonne fällig – das sind pro Liter Benzin ungefähr sieben Cent Aufschlag. Im Europäischen Emissionshandel lag der Preis bereits bei zirka 100 Euro pro Tonne CO<sub>2</sub>. Das setzt wirksame Anreize, um Emissionen zu reduzieren.</p>
<p><strong>Bis zur Einführung der Kohlenstoffpreise war es in Deutschland ein mühsamer Weg. Wie sieht es in anderen Ländern aus?</strong><br />Ja, da gibt es viele Hindernisse. Einen Preis durchzusetzen, der die tatsächlichen sozialen Kosten von CO<sub>2</sub>-Emissionen widerspiegelt, bleibt eine große Herausforderung für die Politik. Dennoch haben bereits 45 Länder CO<sub>2</sub>-Preise eingeführt. Weitere wollen bald nachziehen. Die Preise sind dabei extrem unterschiedlich – von wenigen Cent bis hin zu mehr als 100 Euro pro Tonne CO<sub>2</sub>. Neben dem Preis variiert auch die Verwendung der Einnahmen: In Deutschland wird die EEG-Umlage reduziert oder in den öffentlichen Nahverkehr investiert. In Kanada oder der Schweiz werden diese zum großen Teil als „Klimadividende“ an die Bürger zurück verteilt. Die Einnahmen pro Kopf zurückzuerstatten, kann Entlastung schaffen, damit sich auch Menschen mit niedrigen Einkommen Grundbedürfnisse wie Heizen oder Mobilität leisten können.</p>
<p><strong>Woher weiß man denn, welcher Preis angemessen und akzeptabel ist?</strong> <br />Klimaökonomen, wie der Nobelpreisträger Nordhaus, benutzen oft Rechenmodelle, um optimale CO<sub>2</sub>-Preise zu bestimmen. In solche Modelle fließen aber auch Werturteile mit ein, oder spezifische Sichtweisen der Modellierer. Ob die so bestimmten CO<sub>2</sub>-Preise also adäquat sind oder nicht, ist schwer zu beurteilen. Wir haben daher eine Expertenbefragung durchgeführt, um Empfehlungen für angemessene CO<sub>2</sub>-Preise auf eine breitere Basis zu stellen. Wir erhielten Antworten von mehr als 400 Expertinnen und Experten aus knapp 40 Ländern. Dabei ging es nicht nur um die Höhe der Preise, sondern auch um Fragen der Politikgestaltung.</p>
<p><strong>Oft heißt es ja, dass sich auch die Expertinnen und Experten nicht einig sind.</strong> <br /> Die Empfehlungen gehen zwar teils weit auseinander, gleichzeitig zeigen unsere Ergebnisse aber auch, dass sich eine Mehrheit der Experten in wichtigen Punkten einigen kann. Zum Beispiel darüber, dass ein einheitlicher globaler Kohlenstoffpreis deutlich höher sein sollte als der derzeitige globale Durchschnittspreis, der vor kurzem auf drei Dollar pro Tonne CO<sub>2</sub> geschätzt wurde. Mehr als 95 Prozent der Experten hielt einen globalen Kohlenstoffpreis von unter fünf Dollar bereits im Jahr 2020 für nicht akzeptabel. Eine Mehrheit kann sich auf bestimmte CO<sub>2</sub>-Preise einigen – sowohl kurzfristig als auch für das Jahr 2030. Und auch innerhalb der meisten Länder kann sich eine Mehrheit auf bestimmte Kohlenstoffpreise verständigen. Wird zusätzlich ein CO<sub>2</sub>-Grenzausgleich eingeführt, so dass heimischen Unternehmen international keine Wettbewerbsnachteile entstehen, ist die Einigkeit über nationale CO<sub>2</sub>-Preise sogar noch größer.</p>
<p><strong>Empfehlen Experten diese Preise auch den eigenen Regierungen? Oder profitiert man lieber davon, dass die Nachbarn hohe Preise einführen und man selbst umso besser dasteht? </strong> <br /> Man würde denken, dass es hier viele Trittbrettfahrer gibt. Aber tatsächlich übersteigen die Empfehlungen auf der Ebene einzelner Länder im Durchschnitt sogar die globalen Preisempfehlungen. Es zeigt sich also vielmehr ein „Mitnehmen“ statt „Trittbrettfahren“. Viele Experten aus reicheren Ländern neigen wohl dazu, ihren eigenen Regierungen aus globalem Verantwortungsbewusstsein heraus höhere Kohlenstoffpreise zu empfehlen. Es kann aber auch am lokalen Zusatznutzen liegen: Werden CO<sub>2</sub>-Emissionen reduziert, verringert sich die Energieabhängigkeit von autokratischen Regimen und es verbessert sich auch die lokale Luftqualität, was wiederum positive Effekte für die Gesundheit bringt.</p>
<p><strong>Doch insgesamt verhalten sie sich anders als erwartet?</strong> <br /> Ja, das war für uns sehr überraschend, da das Trittbrettfahrer-Problem in der Fachliteratur seit langem als eines der größten Hindernisse beim Klimaschutz gilt. Unsere Ergebnisse bestätigen dies nicht und deuten auf andere Probleme hin, die es den Ländern erschweren, beim Klimaschutz voranzukommen, wie Wettbewerbsnachteile, Lobbyismus oder Verteilungsfragen.</p>
<p><strong>Das scheint ein sehr deutliches Signal Richtung Klimapolitik zu sein.</strong><br /> Die Botschaft lautet, dass die Klimapolitik stärker die Lenkungswirkung der Kohlenstoffpreise nutzen sollte, um im Klimaschutz ehrgeizigere Ziele zu erreichen. Konkret stellen wir fest, dass die empfohlenen globalen Preise für das Jahr 2020 bei durchschnittlich 50 Dollar für eine Tonne CO<sub>2</sub> lagen. Im Laufe der Zeit steigen die Empfehlungen dann auf knapp 100 Dollar im Jahr 2030 und auf über 200 Dollar für das Jahr 2050. In Deutschland war sich die Mehrheit der Experten einig, dass der Kohlenstoffpreis 2020 bei mehr als 25 Euro hätte starten sollen. Für das Jahr 2030 finden beispielsweise zwei Drittel aller deutschen Experten einen Preis von 100 Dollar (zirka 88 Euro) akzeptabel – vorausgesetzt die Europäische Kommission führt bis dahin den Kohlenstoff-Grenzausgleich ein, um Wettbewerbsverzerrungen zu reduzieren.</p>
<p><strong>Aber all das ist nicht vergleichbar mit den hohen Preisen, die gerade wegen des Krieges entstehen? </strong><br />Nein, kaum Experten haben einen so drastischen Preisanstieg empfohlen, wie wir ihn nun erlebt haben. Der Liter Benzin ist etwa 50 Cent teurer geworden. Das entspräche einem CO<sub>2</sub>-Preis von an die 200 Dollar pro Tonne CO<sub>2</sub>. Die CO<sub>2</sub>-Preise, auf die sich eine Mehrheit der Experten einigen können, liegen bei etwa einem Viertel davon – also bei einem Aufschlag von weniger als 15 Cent. Mit weiteren Aufschlägen sollte selbstverständlich abgewartet werden, bis sich die aktuelle Ausnahmesituation an den globalen Ölmärkten wieder beruhigt hat. <br /><br /></p>
<p><em>Professor Moritz Drupp ist Umweltökonom am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg und im Exzellenzcluster CLICCS.</em></p><p>Foto: Pixabay/Sigurd Rille</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/28153363
2021-11-10T11:34:59+01:00
Je digitaler, desto klimafreundlicher?
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/28153570/2021-11-10-digital-klimafreundlich-1f50cf4825a34a19ee67e7d20635933605bc9bd5.jpg" /><p><strong>Smarte, effiziente Logistik, Video-Konferenzen statt Flugreisen, E-Reader statt dicker Bücher – können digitale Prozesse helfen, Ressourcen zu sparen und Emissionen zu vermeiden? Was ist dabei zu beachten? Dr. Jasmin S. A. Link hat mit Kollegen ein Buch dazu herausgegeben. Ihr Fazit: Was auf den ersten Blick Ressourcen spart, schafft oft neue Abhängigkeiten.</strong></p>
<p><strong>Frau Link, wie gut ist Digitalisierung für das Klima?</strong></p>
<p>Alles was unnötige Wege und Ressourcen spart, ist gut, könnte man meinen. Das ist im Prinzip auch richtig, nur übersieht man dabei häufig, dass IT und insbesondere sogenannte künstliche Intelligenz regelrechte Energiefresser sind.</p>
<p><strong>Wie das?</strong></p>
<p>Ein Beispiel: Um Systeme mit künstlicher Intelligenz zu „trainieren“, müssen riesige Datenmengen bewegt werden, häufig ohne im Vorfeld zu wissen, ob überhaupt etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Der Rechenaufwand ist enorm – und der Stromverbrauch auch. Wird dieser nicht aus Erneuerbaren Energien gewonnen, werden bei der Produktion entsprechend große Mengen CO<sub>2</sub> freigesetzt.</p>
<p><strong>Ihr kritischer Blick gilt darüber hinaus den sogenannten Pfadabhängigkeiten. Was muss ich mir darunter vorstellen?</strong></p>
<p>Hier geht es um soziale Abhängigkeiten. Dass wir durch die neuen Technologien geprägt werden, bis wir möglicherweise nicht mehr auf sie verzichten wollen – oder können. Es gibt Studien, die zeigen, dass wir Menschen beispielsweise durch die regelmäßige Nutzung von Navigationssystemen allmählich unsere eigenständige räumliche Orientierung verlieren. Verstärkt durch ökonomische Interessen werden digitale Prozesse geschaffen für Tätigkeiten, die wir bisher autonom und ohne Strom erledigt haben. Gleichzeitig reduzieren sich unsere Möglichkeiten: Wenn alles über das Smartphone erledigt werden kann, werden Alternativen, die vielleicht sinnvoll wären, gar nicht erst entwickelt.</p>
<p><strong>Das ist jetzt aber keine generelle Zivilisationskritik, oder?</strong></p>
<p>Nein, eher nicht. Es lohnt aber darüber nachzudenken, welche Erwartungen wir mit den neuen Technologien verbinden und welche Rahmenbedingungen wir dem Prozess geben wollen. Für die Klimaforschung ist die Digitalisierung von meteorologischen Daten zum Beispiel sinnvoll und wichtig. Ebenso wird in der Medizin mit Hilfe künstlicher Intelligenz nach neuen Medikamenten und Heilmethoden gesucht.</p>
<p>Digitalisierung kann jedoch auch Probleme verursachen, beispielsweise wenn die sozialen Medien zur Sucht werden oder demokratische Entscheidungen durch Fake News infrage gestellt werden. Im Buch widmen wir uns deshalb auch Bildungsfragen oder ethischen Fragen und liefern Grundlagenwissen, das verschiedene Perspektiven berücksichtigt.</p>
<p><strong>Es geht also um die gesellschaftliche Diskussion und um Regeln für die Digitalisierung?</strong></p>
<p>Richtig. Aktuell werden besonders auf europäischer Ebene wichtige Standards gesetzt. Normalerweise sind solche Prozesse ziemlich basisdemokratisch organisiert und dauern Jahre. Nicht so bei der Digitalisierung, wo Konzerne rasch Tatsachen schaffen und viele große IT-Unternehmen zentrale Positionen im Prozess besetzen. Doch nur wer jetzt mitdiskutiert, kann seine Ideen einbringen und die Weichen für die Zukunft stellen.</p>
<p><em>Die Diplom-Mathematikerin und promovierte Soziologin Jasmin S. A. Link ist assoziiertes Mitglied im CEN und Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW). Sie arbeitet eng mit der Forschungsgruppe „Climate Change and Security“ der Universität Hamburg zusammen.</em></p><p>Foto: Pixabay/Altmann</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/26897410
2021-08-06T09:08:25+02:00
Klimawandel: Kolumbiens längster Fluss braucht Management
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/26897457/2021-07-20-talsperre-cf0c3e7685de578d1a2c86766821bbdd32071df9.jpg" /><figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/26897479/2021-07-20-martha-bolivar-180x240-729bdce7c14e7748c37f8ea5da72cbded35dcbdc.jpg" alt="" /><figcaption>Martha Bolivar hat ermittelt, wie der Klimawandel die Wasserversorgung am kolumbianischen Río Magdalena verändert und welche Maßnahmen nötig sind, um den Wasserbedarf künftig zu decken.</figcaption></figure>
<p>Im Norden Kolumbiens mündet der Río Magdalena ins Karibische Meer. Von der Quelle bis zur Mündung legt der mächtige Strom mehr als 1.600 Kilometer zurück und sein Einzugsgebiet ist etwa so groß wie das des Rheins. Als Folge des Klimawandels werden Trockenperioden hier länger, andererseits häufen sich Überschwemmungen. Zudem sind Wirtschaft und Bevölkerung stark gewachsen. Dies hat den Wasserverbrauch enorm gesteigert. Auch die Landwirtschaft verschlingt riesige Mengen Wasser. Gleichzeitig liefert der Río Magdalena heute rund 70 Prozent der gesamten Wasserkraft-Energie des Landes.</p>
<p>Mich interessiert, wie die Region künftig Energiegewinnung und Bewässerung unter einen Hut bekommen kann. Um herauszufinden, wie solch ein Wassermanagement möglichst optimal gestaltet werden kann, habe ich am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) ein mathematisches Modell erstellt und mehrere Szenarien durchgerechnet. Dazu habe ich verschiedene Prognosen zur Entwicklung von Klima und Gesellschaft miteinander verknüpft. Auch technische Berechnungen sind eingeflossen: Wie voll werden die Speicher, wie viel Wasser wird verfügbar sein und wie hoch ist der Wasserverbrauch in Zukunft?</p>
<figure style="width: 200px;" class="rechts"><img src="/26897554/2021-07-20-rio-magdalena-cfa2924e9b66904a9a1d0cde9a57aeec362ecdc4.jpg" alt="" width="345" height="326" /><figcaption>Am Río Magdalena hinterlässt der Klimawandel Spuren. Einerseits wird durch längere Trockenperioden das Wasser knapp, andererseits häufen sich Überschwemmungen. <a href="https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=55006241">© J.J.P. Santiago (CC BY-SA 4.0)</a> </figcaption></figure>
<p>Meine Berechnungen haben ergeben, dass bereits in den kommenden 20 Jahren das Wasser in Spitzenzeiten für Landwirtschaft, private Haushalte und Industrie knapp wird. Deshalb sollte die Infrastruktur rechtzeitig mit Dämmen und Stauseen ausgebaut werden, um die Speicherkapazitäten zu verbessern und den Wasserbedarf bis zum Jahr 2100 zu decken.</p>
<p>Und die Wasserkraft? Meine Ergebnisse zeigen, dass Konflikte zwischen Energiegewinnung und Bewässerung vor allem im Januar auftreten, wenn es besonders trocken ist. Die Felder müssen dann intensiv bewässert werden. Eine Zwickmühle, denn gleichzeitig fehlt das Wasser für die Stromerzeugung in den Stauseen, wenn nun der Energiebedarf besonders hoch ist. Auch in meiner Heimatstadt Santa Marta gibt es in solchen Phasen oft stundenlang keinen Strom.</p>
<p>Was könnte die Lösung sein? Die Kapazitäten von Dämmen und Stauseen müssen bis zum Jahr 2100 deutlich gesteigert werden, um Haushalte, Landwirtschaft und Industrie ausreichend versorgen zu können. Dies erfordert hohe Investitionen, anschließend sind Betriebs- und Wartungskosten aber vergleichsweise gering.</p>
<figure style="width: 90px;" class="links"><img src="/26897545/2021-07-20-muendung-rio-magdalena-1a815c82f7180150b5a70db810521b6c737ccf2c.jpg" alt="" width="325" height="306" /><figcaption>Mündung des Río Magdalena. Im Einzugsgebiet des tropischen Flusses ist geschicktes Wassermanagement notwendig.<a href="https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9437891" target="_blank"> © USGS & NASA</a></figcaption></figure>
<p>Doch wie erzielen die Investitionen den optimalen sozialen Nutzen? Dazu habe ich beispielhaft verschiedene Varianten untersucht, wie solche Entscheidungen gefällt werden: Bei der ersten Möglichkeit passt der Entscheidungsträger das Management den Veränderungen dynamisch an. Ein zweiter eher kurzsichtiger Entscheidungsträger investiert hingegen in der Annahme, dass das aktuelle Niveau von Wasserangebot und -nachfrage auch künftig bestehen bleibt. Ein weiterer geht davon aus, dass das Angebot konstant bleibt, die Nachfrage sich aber in Zukunft ähnlich wie im vergangenen Jahrzehnt verändert. Fazit: Geschicktes Management ist entscheidend. Hier können meine Modellrechnungen den lokalen Behörden helfen, vorausschauend zu planen und optimal zu investieren, um die Wasserversorgung für kommende Generationen zu sichern. Dadurch ließe sich der volkswirtschaftliche Nutzen bis zum Jahr 2100 sogar um 120 Milliarden US Dollar erhöhen. Doch beim Bau von Staudämmen dürfen Menschenrechte nicht verletzt und die folgenreichen Eingriffe in die Umwelt müssen sorgfältig mit dem ökonomischen Nutzen abgewogen werden.</p><p>Foto: CC-BY-Fabian</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/24916147
2021-01-26T16:21:49+01:00
Die zweite Halbzeit der Energiewende braucht neue Spielregeln
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/24917557/2020-01-26-eehh-733x414-bac67bec88e172e964264202238fce60c52e7eea.jpg" /><p><strong>Prof. Dr. Grischa Perino erläutert, wie die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden kann. Dieser Artikel ist zuerst bei <a href="https://www.erneuerbare-energien-hamburg.de/de/blog/details/die-zweite-halbzeit-der-energiewende-braucht-neue-spielregeln.html" target="_blank">Renewable Energy</a> Hamburg erschienen.<br /></strong></p>
<p>Die zweite Halbzeit der Energiewende steht bevor: die zweiten 50 Prozent der Stromversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen und weitere Sektoren zu elektrifizieren. Dazu gehört auch grüner Wasserstoff, da dieser mit Strom hergestellt wird. Damit das gelingen kann, braucht es neue Regeln.</p>
<p><strong>Stromsteuer und EEG-Umlage durch deutlich höhere CO<sub>2</sub>-Preise ersetzen</strong></p>
<p>Stromsteuer und EEG-Umlage verteuern Strom. Beide Instrumente haben keine klimafreundliche Wirkung, da sie unabhängig von der Erzeugungsart erhoben werden. Sektorenkopplung (z.B. Power-to-Heat) und Elektrifizierung (z.B. Elekto-Autos) werden ausgebremst. Statt Strom pauschal zu belasten, sollte der Ausstoß von Treibhausgasen gezielt verteuert werden. Die meisten fossilen Kraftwerke unterliegen zwar bereits seit 2005 dem EU Emissionshandel, aber bis 2018 waren die Preise nicht der Rede wert. Inzwischen liegen sie bei etwa 30 Euro pro Tonne CO<sub>2</sub> und seit dem 1.1.2021 werden für Benzin, Diesel und Erdgas in Deutschland 25 Euro pro Tonne fällig. Beides liegt deutlich unter dem vom Umweltbundesamt<sup>1 </sup>angegeben Wert von 195 Euro pro Tonne, der die gesellschaftlichen Kosten des CO<sub>2</sub>-Ausstoßes wiedergibt. Würde man das Wohlergehen zukünftiger Generationen bei der Berechnung genauso gewichten wie das der jetzigen, dann sind es 680 Euro pro Tonne.</p>
<figure style="width: 150px;" class="links"><img src="/5324034/20170329-foto-grischa-perino-7efd728fdb0f108fae025286f77320e81e3b26bc.jpg" alt="" /><figcaption>Prof. Dr. Grischa Perino</figcaption></figure>
<p>Höhere CO<sub>2</sub>-Preise machen Kohleverstromung, Benzin- und Dieselmotoren und viele andere Anwendungen fossiler Brennstoffe betriebswirtschaftlich unrentabel – was sie volkswirtschaftlich bereits sind. Kohleausstieg funktioniert dann ohne Entschädigungszahlungen, erneuerbare Energien werden wettbewerbsfähig und Elektrifizierung profitabel. Die Einnahmen aus der CO<sub>2</sub>-Bepreisung können genutzt werden, um die Finanzierungslücken bei den bestehenden Verpflichtungen aus dem EEG und in der Rentenkasse (dorthin fließen die Einnahmen der Stromsteuer) zu schließen, um klimafreundliche Technologien und Infrastruktur bereitzustellen und für sozialen Ausgleich zu sorgen, soweit die Abschaffung von Stromsteuer und EEG-Umlage dazu nicht ausreichen.</p>
<p><strong>Netzengpässe im Strommarkt abbilden</strong></p>
<p>Besonders absurd wird der derzeitige regulatorische Rahmen, wenn in Norddeutschland der Wind kräftig weht. Dann werden im Norden Windräder abgeschaltet (aber oft trotzdem vergütet) und im Gegenzug in Süddeutschland fossile Kraftwerke hochgefahren, da die Transportkapazitäten des Netzes erschöpft sind. Das kostete allein 2019 1,2 Milliarden Euro. Geld, das dann über die Netzentgelte auf den Strompreis aufgeschlagen wird. 2012 waren es noch weniger als 100 Millionen Euro.</p>
<p>Ein Energiesystem mit überwiegend wetterabhängiger Erzeugung, erfordert, dass Flexibilitäten nicht nur geschaffen, sondern auch gut koordiniert werden. Da in Deutschland der Strompreis für alle Erzeuger der gleiche ist, passiert genau das Gegenteil. Ist die Entstehung eines Netzengpasses zu erwarten, dann sendet der Markt derzeit an alle Flexibilitäten über den Preis genau das gleiche Signal. Der Preis richtet sich ausschließlich nach der Knappheit im Gesamtsystem. Ob der Strom vom Erzeuger zum Abnehmer transportiert werden kann, wird nicht abgebildet. Daher verhalten sich Flexibilitäten auf beiden Seiten des Engpasses gleich, d.h. auf einer Seite passiert genau das Falsche. Der Engpass wird verschärft, anstatt ihn zu beseitigen. Auf der anderen Seite passiert weniger als notwendig wäre. Die Netzbetreiber müssen kostspielig nachsteuern, um den Kollaps des Netzes zu verhindern. Knappe Ressourcen effizient zu managen und viele dezentrale Akteure zu koordinieren, ist die große Stärke von Märkten. Dafür brauchen sie aber Spielregeln, die dafür sorgen, dass die relevanten Knappheiten abgebildet werden können.</p>
<p><strong>Richtungsweisende Regeln</strong></p>
<p>Aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutet das: Klimapolitik so gestalten, dass der Ausstoß von Treibhausgasen und nicht Stromkonsum verteuert wird. Strommärkte schaffen, die Netzengpässe vorausschauend abbilden. <a href="https://www.new4-0.de/" target="_blank">NEW 4.0</a> hat gezeigt, wie viel davon technisch bereits möglich wäre. Ohne die passenden Regeln bleibt es aber ein Sandkastenspiel.</p>
<hr />
<p>[1] Umweltbundesamt (2020) Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten, Kostensätze, Stand 12/2020, S. 8, <a href="https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-12-21_methodenkonvention_3_1_kostensaetze.pdf" target="_blank">https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-12-21_methodenkonvention_3_1_kostensaetze.pdf</a></p><p>Foto: UHH/CEN/T.Wasilewski</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/24781748
2021-01-22T12:44:33+01:00
Wie Unternehmen das Klima wirkungsvoll schützen können
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/24879742/office-tower-b16fb6b34f63d6c955c0f7e911076055d9a386f3.jpg" /><p>Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts deutlich unter 2 Grad und möglichst unter 1,5 Grad zu halten. Um das zu erreichen, haben viele Länder mittlerweile Klimaschutzpläne auf den Weg gebracht. Da es aber Unternehmen sind, die den Löwenanteil der Treibhausgase verursachen, muss insbesondere die Wirtschaft einen beträchtlichen Beitrag leisten, um den Klimawandel in Grenzen zu halten. Viele Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung erfreulicherweise bewusst und möchten in Zukunft klimaneutral wirtschaften – doch wie können sie das in der Praxis schaffen? Diese Frage erforsche ich in meiner Doktorarbeit am Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS an der Universität Hamburg.</p>
<figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/24781933/2021-01-15-brigitte-frank-180x240-f8b2c761ecc103a7e307cdc9bb8cba58a4e3c718.jpg" alt="" /><figcaption>Brigitte Frank erforscht Strategien für eine kohlenstoffarme Wirtschaft.</figcaption></figure>
<p>Der erste Schritt auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise sind wirkungsvolle Klimaziele. Dazu muss das globale Klimaziel zunächst auf die Unternehmensebene übersetzt werden. Dieser Schritt ist für Unternehmen aber häufig eine große Hürde, weil sie nicht wissen, wie passende Ziele entwickelt werden können. Also orientieren sich Unternehmen daran, was ihnen an Emissionseinsparungen möglich erscheint. Ob diese Klimaziele dann auch ambitioniert genug ausfallen, um das Klima zu schützen, bleibt ungewiss.</p>
<p>Wie also kann die Wissenschaft Unternehmen dabei unterstützen, diese Hürde zu überwinden? Um diese Frage zu beantworten, habe ich vier gängige Methoden untersucht, die auf wissenschaftlich fundierten Klimaszenarien basieren und mit deren Hilfe sich berechnen lässt, welchen Beitrag jedes einzelne Unternehmen zur Erreichung des globalen Klimaziels leisten muss. Dazu habe ich Rechenmodelle mit Unternehmensdaten gefüttert und die Methoden verglichen. Die Analyse zeigt, dass drei der vier Methoden für Unternehmen mit einem breiten Produktportfolio – und somit für die meisten Wirtschaftssektoren, wie den Handel oder den Chemiesektor – ungeeignet sind, weil sie in der Anwendung beispielsweise nicht flexibel genug oder zu kompliziert sind. Mein Fazit: Letztlich eignet sich für die meisten Unternehmen nur eine Methode. Diese ist vergleichsweise simpel in der Anwendung: Eine pauschale Reduktionsrate legt dabei fest, in welchem Umfang und in welcher Geschwindigkeit jedes einzelne Unternehmen seine Emissionen senken muss.</p>
<p>Konkret bedeutet das: Wenn ein Unternehmen wirkungsvoll dazu beitragen möchte, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, muss es den Ausstoß klimaschädlicher Gase ab dem Zeitpunkt der Zielsetzung jährlich um 2,5 Prozent reduzieren. Zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels müssen die Emissionen natürlich schneller sinken, nämlich um 4,2 Prozent jährlich. Entscheidend ist, dass dies nicht nur für die Emissionen gilt, die im Unternehmen verursacht werden, sondern auch für die Emissionen, die in der vor- und nachgelagerten Lieferkette sowie in der Nutzungsphase der Produkte entstehen.</p>
<p>Gewiss, diese Methode bietet noch Raum für Verbesserungen – so lässt sich ein Handelsunternehmen wohl nur schwer mit einem Chemieunternehmen vergleichen. Es gibt für die Forschung also noch viel zu tun. Gleichwohl gelingt es mit dieser Methode sehr schnell und einfach, wirkungsvolle Klimaziele für Unternehmen zu entwickeln und somit auch einzuordnen, ob die Bemühungen eines Unternehmens für den Klimaschutz bislang ambitioniert genug ausfallen.</p><p>Foto: Etienne Godiard/ Unsplash</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/23874994
2020-10-30T10:31:17+01:00
Was bedeutet eigentlich Netto-Null?
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/23874944/schenuit-wald-733x414-15937c498c3cd347cf2995b419aee4c9101cc3ac.jpg" /><p><strong>In der Klimapolitik hat sich seit 2015 viel verändert. Auf der Weltklimakonferenz in Paris wurde damals ein Durchbruch erzielt. Eine der Neuerungen sind die sogenannten Netto-Null-Ziele. Sie besagen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt, etwa 2050, ein Land rechnerisch überhaupt keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre ausstoßen dürfte. Doch wie kann das umgesetzt werden?</strong></p>
<p>Wissenschaftliche Zukunftsszenarien zeigen uns, wie stark sich die Erde voraussichtlich erwärmen wird – immer abhängig davon, wie schnell die Menschheit ihren Ausstoß an Treibhausgasen reduziert. Wenn wir die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius begrenzen wollen, besser noch auf 1,5 Grad, zeigen alle diese Szenarien deutlich: Egal wie rigoros wir Klimaschutz betreiben, immer muss zusätzlich Kohlendioxid, kurz CO<sub>2</sub>, aktiv aus der Luft entfernt werden.</p>
<p><strong>Deutschland bei CO<sub>2</sub>-Entnahme zögerlich</strong></p>
<p>Politisch wird darüber erst seit Kurzem offensiv gesprochen. Als Politikwissenschaftler interessiert mich, welche Diskussionen zur Entnahme von CO<sub>2</sub> eigentlich geführt werden müssten und warum sie nicht geführt werden. Ich untersuche deshalb am Exzellenzcluster für Klimaforschung der Universität Hamburg, wie sich Klimapolitik in Deutschland und der EU entwickelt – und ob die politischen Weichen entsprechend gestellt werden.</p>
<figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/23874953/schenuit-felix-180x240-ad131edfafbca070ead8ec7895e3583f45385d8c.jpg" alt="" /><figcaption>Untersucht die Klimapolitik der EU - Felix Schenuit (Foto: privat)<br /></figcaption></figure>
<p>Ideen und Methoden für die CO<sub>2</sub>-Entnahme gibt es einige. Sie reichen von klassischer Aufforstung bis zur technischen Abscheidung aus der Umgebungsluft. Viele Maßnahmen befinden sich aber noch im frühen Stadium der Entwicklung.</p>
<p>Jetzt strebt die Europäische Kommission mit ihrem „Green Deal“ Netto-Null bis 2050 an. Insbesondere Industrie, Landwirtschaft und Transport werden aber nicht gänzlich ohne Emissionen auskommen. Deshalb setzt die Kommission gleichzeitig auf die Entnahme von CO<sub>2</sub>, durch die alle restlichen Emissionen ausgeglichen werden müssen. Einzelne Länder wie England und Schweden haben dazu schon konkrete Pläne. Aus Deutschland war dagegen bisher wenig zu hören. Jetzt wurde für 2021 ein erstes Forschungsprojekt angekündigt.</p>
<p><strong>Klimaziele künftig besser zweiteilen</strong></p>
<p>Es liegt zum Teil an den Verfahren selbst, dass die deutsche Politik hier so zögerlich ist. Bei vielen Verfahren muss CO<sub>2</sub> in unterirdischen Speichern gelagert werden – ein Thema, das in Deutschland sehr umstritten ist. Eher akzeptiert werden als „natürlich“ empfundene Methoden, wie Aufforstung oder eine Anreicherung von Ackerboden mit Kohlenstoff. Doch hier ist das Potenzial begrenzt und nicht garantiert, dass der Kohlenstoff dauerhaft gespeichert wird. Wenn also die Politik das Netto-Null-Ziel ernst nimmt, müssen jetzt möglichst viele Methoden intensiv erforscht, getestet und diskutiert werden.</p>
<p>Gleichzeitig besteht die Gefahr, zu stark auf zukünftige Entnahme-Techniken zu bauen und dabei das Einsparen von CO<sub>2</sub> zu vernachlässigen. In einer Studie für die Stiftung Wissenschaft und Politik habe ich mit meinem Kollegen Oliver Geden deshalb eine Zweiteilung der Klimaziele vorgeschlagen: Eine zukünftige Klimapolitik könnte festschreiben, dass Netto-Null-Emissionen bis 2050 zum Beispiel durch mindestens 90 Prozent Reduzierung von CO<sub>2</sub> und höchstens 10 Prozent Entnahme erreicht werden. Eine solch klare Trennung kann verhindern, dass sich Netto-Null-Ziele zum Feigenblatt für ausbleibenden Klimaschutz entwickeln.</p><p>Foto: Unsplash/Pattenden</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/23448375
2020-10-27T12:55:57+01:00
25 Euro CO2-Steuer retten nicht das Klima
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/23765013/kohlekraftwerk-niederaussem-733x414-6628f6f1740065704457cb07850645d287a68b86.jpg" /><p>Mittlerweile ist jedes Land vom Klimawandel betroffen. Hitzewellen, Stürme oder der Verlust an Artenvielfalt verändern unsere Umwelt. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Schäden sind enorm: Ernteausfälle, Waldbrände und Gesundheitsgefahren kommen uns teuer zu stehen. Wieviel Geld sollten wir heute in die Hand nehmen, um die Schäden von morgen abzumildern?</p>
<p>Im Pariser Abkommen wurde festgelegt, den Temperaturanstieg auf unter zwei Grad zu begrenzen. Deutschland will bis 2050 klimaneutral sein. Wie lässt sich das erreichen? Als Umweltökonom am Klima-Exzellenzcluster CLICCS der Universität Hamburg analysiere ich verschiedene Maßnahmen, mit denen der Ausstoß von Treibhausgasen eingedämmt werden soll. Ein zentrales Mittel ist beispielsweise, für Treibhausgase eine Steuer zu erheben.</p>
<p>Bekommt das Treibhausgas Kohlendioxid (CO<sub>2</sub>) einen Preis, steigen die Produktionskosten, denn für die entstehenden Emissionen muss nun gezahlt werden. Die Folge: CO<sub>2</sub>-intensive Produkte werden teurer. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dafür tiefer in die Tasche greifen. Dementsprechend steigt die Nachfrage nach den günstigeren CO<sub>2</sub>-armen Gütern. Ebenso ist es im Transportsektor. Steigt der Benzin-Preis, wird mehr in Elektromotoren investiert. Klimaschutz wird so wettbewerbsfähig.</p>
<figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/23448520/2020-09-14-moritz-drupp-112ddffa287bfc9bcf9fb1c9527dc3b9879c1d1c.jpg" alt="" /><figcaption>Junior Professor Moritz Drupp</figcaption></figure>
<p>Ab 2021 muss in Deutschland 25 Euro je Tonne CO<sub>2</sub> gezahlt werden, die bei der Verbrennung von Heiz- oder Kraftstoffen entsteht. Benzin kostet somit ab Januar etwa sieben Cent mehr pro Liter. Bis 2025 wird die Steuer schrittweise auf 55 Euro angehoben. Doch ist der Preis sinnvoll – und gerecht? Dahinter steht unter anderem die Frage, wieviel wir heute bereit sind zu bezahlen, um Klimaschäden in Zukunft zu vermeiden. Um das zu berechnen habe ich zusammen mit einem internationalen Forschungsteam ein Klimarechenmodell mit einem Wirtschaftsmodell verknüpft. Auf diese Weise kombinieren wir die in unserer Wirtschaft entstehenden Emissionen mit den dadurch hervorgerufenen Klimaveränderungen und Klimaschäden. Und eine weitere Komponente habe ich integriert: Die Empfehlungen aus einer Befragung von 173 Expertinnen und Experten, die erforschen, wie viel wir heute für zukünftige Generationen investieren sollten.</p>
<p>Unsere Ergebnisse zeigen, wie viele Treibhausgase wir vermeiden sollten, um ein optimales Wohlergehen für heutige und zukünftige Generation zu erreichen. Am anschaulichsten lässt sich das in CO<sub>2</sub>-Preisen ausdrücken: Je höher der heutige CO<sub>2</sub>-Preis, desto mehr Emissionen sparen wir ein. Folglich sind auch die Klimaschäden geringer. Fest steht: Es gibt nicht den einen richtigen Preis, sondern verschiedene Klimapfade die wir beschreiten können – je nachdem wieviel Wert wir zukünftigen Generationen beimessen.</p>
<p>Setzen wir hohe ethische Maßstäbe für die Welt unserer Kinder und Enkel an, sollte eine Tonne CO<sub>2</sub> heute 180 Euro kosten. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass eine Tonne CO<sub>2</sub> für Mensch und Umwelt Klimaschäden im Wert von circa 180 Euro verursacht. Diese Summe empfiehlt ebenfalls das Umweltbundesamt und auch die Fridays-for-Future Bewegung beruft sich auf diesen Preis. Folgen wir dem mittleren Klimapfad des Modells, sollte der Wert für eine Tonne CO<sub>2</sub> bei knapp 100 Euro liegen. Beide Summen sind weit entfernt von den jetzt veranschlagten 25 Euro. Die Preise müssen also deutlich angehoben werden, um die Erde auch für nachfolgende Generationen lebenswert zu erhalten.</p><p>Foto: Benita Welter/Pixabay</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/21369775
2020-05-19T10:29:25+02:00
Kohleausstieg: Teuer und mit ungewisser Klimawirkung
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/21371119/2020-03-18-kraftwerk-perino-733x414-e2344a16d84fd8b3f22f17da2bd85a4138123ad3.jpg" /><p><strong>Der deutsche Kohleausstieg, ein Schildbürgerstreich? Er verschwendet Steuergelder und kann die Emissionen sogar erhöhen, sagt der Umweltökonom Grischa Perino von CEN und CLICCS. Die Gründe sind komplex, die Lösung einfach: Zertifikate im Umfang der angestrebten CO<sub>2</sub>-Reduktion sollten auf einem treuhänderisch verwalteten Konto geparkt werden. Das freue Klima und Steuerzahler, ganz ohne gesetzlichen Kohleausstieg.</strong></p>
<p>Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zum Kohleausstieg vorgelegt, der aus meiner Perspektive gravierende Schwächen in Bezug auf Ziele, Zielerreichung und die entstehenden Kosten hat. Es gibt dabei drei Probleme:</p>
<p><strong>Erstens: Teilziele erschweren den Weg zum übergeordneten Ziel</strong></p>
<p>Die im Gesetzentwurf angestrebte Verringerung der Emissionen der deutschen Energiewirtschaft um 61 Prozent im Jahr 2030 gegenüber 1990 verkennt, dass es für die Energiewirtschaft und andere emissionsintensive Industrien bereits einen verbindlichen Reduktionspfad gibt. Er ist im EU Emissionshandel (EU-EHS) festgeschrieben und wurde erst 2018 grundlegend überarbeitet und verschärft.</p>
<figure style="width: 200px;" class="links"><img src="/21371106/2020-03-18-grischa-perino-185x127-c6f14f7c503c9c54e26843dddc6a15fb97c3f1b0.jpg" alt="" /><figcaption>Umweltökonom Grischa Perino berechnet die Folgen des geplanten Kohleausstiegs. Bild: UHH/S.Engels</figcaption></figure>
<p>Wären die beiden Maßnahmen, EU-EHS und Kohleausstieg, unabhängig voneinander, dann könnte man argumentieren, dass Deutschland ambitioniertere Ziele verfolgt als die EU. Leider ist dem nicht so. Der EU-EHS legt eine verbindliche, sich stetig verringernde Emissionsobergrenze für alle ihm unterliegenden Industrien fest.</p>
<p>Spart eine Industrie, freiwillig oder erzwungenermaßen, mehr Emissionen ein, als sich das aufgrund unternehmerischer Entscheidungen aus dem Preis für Emissionsrechte ergäbe, so hat dies keine direkte Klimawirkung. Die von dieser Industrie nicht genutzten Emissionsrechte stehen weiterhin zur Verfügung. Die einzige Möglichkeit, zusätzlichen Klimaschutz zu betreiben, ist, Emissionsrechte zu löschen, das heißt die Obergrenze zu verringern. Das geht ganz ohne gesetzlich verordneten Kohleausstieg.</p>
<p>Löscht man die Emissionsrechte, müssen diese zwangsläufig eingespart werden. Kohlekraftwerke werden abgeschaltet, weil sie sich aufgrund des gestiegenen CO<sub>2</sub>-Preises nicht mehr lohnen. Die wegfallenden Entschädigungen sparen dem Steuerzahler Milliarden.</p>
<p><strong>Zweitens: Die Klimawirkung ist schwer vorhersagbar</strong></p>
<p>Anfang 2018 wurde der EU-EHS grundsaniert. Eine entscheidende Neuerung war die Marktstabilitätsreserve (MSR), die die Emissionsobergrenze dem Marktgeschehen anpassen kann. Eigentlich eine clevere Idee – doch der Teufel liegt im Detail.</p>
<p>Die MSR exakt zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen. Ich habe das an anderer Stelle getan. Wesentlich ist ihre Wirkung: Die Anzahl der automatisch gelöschten Emissionsrechte bemisst sich nach deren „Überschuss“ im Markt. Die MSR löscht je mehr, je größer der Überschuss an Zertifikaten ist. Schaltet man ein Kohlekraftwerk ab, steigt dadurch der Überschuss. Allerdings in der Regel um weniger als die abgeschaltete Leistung, da als Reaktion oft andere Kraftwerke im In- und Ausland stärker ausgelastet werden, also mehr emittieren. Ein Teil des zusätzlich entstehenden Überschusses wird dann automatisch über die MSR gelöscht.</p>
<p>Die Bundesregierung will das nutzen und nur die durch den Kohleausstieg frei gewordenen Emissionsrechte selbst dem Markt entziehen, die nicht durch die MSR gelöscht werden. Dadurch muss die Regierung auf weniger Einnahmen aus den Auktionen der Emissionsrechte verzichten. Der Teil der Rechnung, der durch die automatische Löschung im Rahmen der MSR entsteht, verteilt sich gleichmäßig auf die gesamte EU.</p>
<p>Das hat mehrere Haken.</p>
<p>Der erste Haken ist, dass nicht bekannt ist, wieviel Prozent des zusätzlichen Überschusses gelöscht werden. Dies hängt davon ab, wie lange der Überschuss größer ist als 833 Millionen Tonnen. Denn nur so lange entzieht die MSR dem Markt Emissionsrechte.</p>
<p>Danach ist die Obergrenze wieder starr und zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen innerhalb des EU-EHS wieder wirkungslos. Das Problem ist, dass die Prognosen, wann genau dieser Schwellenwert unterschritten wird und damit wie viel Löschungen das Abschalten eines Kohlekraftwerkes genau verursachen würde, sehr weit auseinanderliegen.</p>
<p>In <a href="https://mpra.ub.uni-muenchen.de/96437/" target="_blank">Studien </a>dazu findet sich eine Spannbreite von 2022 bis 2055. Die Unterschiede für die Wirkung des Kohleausstiegs und die von der Bundesregierung zusätzlich durchzuführenden Löschungen sind gewaltig. Den genauen Umfang kann man <a href="https://www.nature.com/articles/s41558-019-0580-z.epdf?author_access_token=y6gYlkppzieOrtYWezNALdRgN0jAjWel9jnR3ZoTv0OQFZBlZtqkmSc4dkXy7n5Hg6EM8id3Afg45Ko_afMPoK1Qw9iUWllLwht9cjzjM78AihZuapvYb71NXlAvW6yTM7PM-B8vFUJ3nqOI14t_Iw%3D%3D" target="_blank">erst in ferner Zukunft verlässlich bestimmen.</a></p>
<p><strong>Drittens: Die Marktstabilitätsreserve arbeitet gegen die Regierung</strong></p>
<p>Der zweite Haken ist, dass durch den Kohleausstieg mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger Emissionsrechte automatisch gelöscht werden als ohne ihn.</p>
<p>Wie kann das sein? Das Gesetz sieht vor, dass die meisten Meiler erst nach 2030 vom Netz gehen. Wenn aber die Schwelle von 833 Millionen Tonnen CO<sub>2</sub> bereits 2030 unterschritten wird, würden keine zusätzlichen automatischen Löschungen durch die MSR mehr stattfinden. Da die Höhe der abzuschaltenden Kraftwerkskapazitäten bereits bekannt ist – sie steht ja im Gesetz – erwarten die Akteure auf dem Markt für Emissionsrechte, dass es in Zukunft weniger Nachfrage nach den Rechten geben wir.</p>
<p>Da die Unternehmen die Emissionsrechte ansparen, um für eine Zukunft mit niedrigerer Obergrenze vorzusorgen, führt die Ankündigung einer geringeren Nachfrage dazu, dass die Unternehmen weniger Anreiz haben, Emissionsrechte anzusparen. Das heißt, dass sie jetzt mehr emittieren und der Überschuss kleiner wird. Ein kleinerer Überschuss bedeutet aber, dass weniger Emissionsrechte automatisch gelöscht werden, als ohne den Kohleausstieg.</p>
<p>Im Klartext: Im Vergleich zu einer Welt ohne staatlich verordneten Kohleausstieg erhöht dieser die Gesamtemissionen in der EU anstatt sie zu verringern, zumindest soweit die Regierung nicht zusätzliche Emissionsrechte vom Markt nimmt. Der vermeintliche Clou, sich die MSR zunutze zu machen, um die Kosten für den Entzug der Emissionsrechte auf die EU-Partner zu verteilen, geht hier nach hinten los.</p>
<p>Anstatt die EU-Partner an den Kosten der deutschen Klimapolitik zu beteiligen, ist es genau andersrum: Deutschland muss bei wortgetreuer Anwendung des Gesetzes die EU-Partner durch zusätzliche Löschungen dafür kompensieren, dass der deutsche Kohleausstieg die gemeinsame Klimapolitik unterminiert.</p>
<p>Am Ende bezahlt der deutsche Steuerzahler mehrfach für den Kohleausstieg: für die strukturpolitischen Maßnahmen, für die Entschädigung der Kraftwerksbetreiber und für die stillzulegenden Emissionsrechte. Und nur letzteres hat tatsächlich eine emissionsmindernde Wirkung, wenn man die gesamte EU und nicht nur den deutschen Vorgarten im Blick hat.</p>
<p><strong>Wie weiter?</strong></p>
<p>Was wäre also zu tun? Man muss Emissionsrechte möglichst schnell dem Markt entziehen. Aber so, dass sie nach wie vor zum Überschuss gezählt werden. Das ist einfach: Statt sie sofort zu löschen, legt man sie auf ein treuhänderisch verwaltetes Konto bei der Deutschen Emissionshandelsstelle und wartet, bis der kritische Wert von 833 Millionen Tonnen unterschritten wurde und daher der Umfang der automatischen Löschungen endgültig feststeht.</p>
<p>Wenn man die Emissionsrechte erst dann löscht, hat man die Obergrenze gleich auf zwei Wegen reduziert: Einmal unmittelbar durch die eigenen Löschungen und einmal durch die automatischen Löschungen die während des Wartens in Abhängigkeit der Größe des Überschusses vorgenommen wurden. Für jede Tonne, die man auf diese Weise selbst löscht, gibt es also noch eine Bonus-Löschung obendrauf.</p>
<p>Die Kosten von letzterem werden von der ganzen EU getragen und nicht von Deutschland allein, wie <a href="https://www.nature.com/articles/s41558-019-0482-0" target="_blank">2019 ein Aufsatz</a> im Magazin „Nature Climate Change“ beschrieb. Will man noch ein paar Milliarden mehr einsparen, zieht man das Kohleausstiegsgesetz und damit die Verpflichtung zu Entschädigungszahlungen zurück und löscht nur die Emissionsrechte mit dem oben beschriebenen Verfahren. Das hat die gleiche Klimawirkung, ist aber wesentlich günstiger.</p>
<p><em>Der Artikel ist zuerst im <a href="https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/schildbuergerstreich-kohleausstieg-teuer-und-mit-ungewisser-klimawirkung" target="_blank">Tagesspiegel Background</a> erschienen</em></p>
<p><em>Grischa Perino leitet das Projekt „Dynamics of Climate Governance“ im Exzellenzcluster „Climate, Climate Change and Society (CLICCS)“ der Universität Hamburg.</em></p><p>Foto: Johannes Plenio/Pixabay</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/19364879
2020-05-20T11:24:50+02:00
Bitte achten Sie auf Nebenwirkungen!
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/19366411/2019-09-12-aerial-photography-of-road-with-cars-unsplash-chuttersnap-733x414-553c934a3fef90bfef3fec2b149c3552c9c84a1d.jpg" /><p style="text-align: left;"><strong>Soll man den Emissionshandel vom Energie- und Industriebereich auf Verkehr und Gebäude ausdehnen, wie es Bundeskanzlerin Merkel offenbar bevorzugt, oder dafür eine CO<sub>2</sub>-Abgabe einführen? Im Streit um das richtige Mittel wird zu wenig bedacht, dass es zu den schon vorhandenen Maßnahmen und Strategien passen muss.</strong></p>
<p style="text-align: left;">Die Staaten der Europäischen Union haben sich vergleichsweise anspruchsvolle Klimaschutzziele bis zur Mitte des Jahrhunderts gesetzt: Um 80 bis 95 Prozent soll der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase gegenüber 1990 sinken. Kerninstrument zum Erreichen dieses Ziels ist das Europäische Emissionshandelssystem ETS. Darin muss für den Ausstoß jeder Tonne CO<sub>2</sub> ein Zertifikat – eine handelbare Erlaubnis – nachgewiesen werden. Die Anzahl der Zertifikate und damit das Emissionsvolumen ist durch eine Obergrenze gedeckelt, die schrittweise reduziert wird. Durch den Handel mit den Zertifikaten wird erreicht, dass Treibhausgase dort eingespart werden, wo es am günstigsten ist.</p>
<p style="text-align: left;">Würden wirklich alle klimaschädlichen Aktivitäten vom Emissionshandel erfasst, müssten wir uns über das Erreichen der Klimaziele – die entsprechende Senkung der Obergrenze vorausgesetzt – eigentlich keine weiteren Gedanken machen. Werden sie aber nicht. Während beispielsweise die Stromerzeugung und Teile der Industrie darunterfallen, blieben so wesentliche Bereiche wie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft außen vor. Das hatte zunächst ganz praktische Gründe, denn in diesen Bereichen sind die Verursacher mehrheitlich keine Großunternehmen, sondern kleinteilige Akteure wie Autofahrer oder Einfamilienhausbesitzer.</p>
<p style="text-align: left;"><strong>Streit um das richtige Instrument</strong></p>
<p style="text-align: left;">Dennoch stammt aus diesen Bereichen immerhin mehr als die Hälfte des gesamten Treibhausgasausstoßes. Dass hier umgehend angesetzt werden muss, um die selbstgesteckten Klimaschutzziele zu erreichen, ist Konsens. Aber wie? Genau darum geht es beim geplanten Klimaschutzgesetz. Nach der Europawahl machte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Druck, hier konkret zu werden. Begleitet von einem breiten medialen Echo wird seitdem besonders um die vorgeschlagene "CO<sub>2</sub>-Steuer" gestritten.</p>
<p style="text-align: left;">Dabei soll für den Ausstoß jeder Tonne CO<sub>2</sub> eine Steuer oder Abgabe anfallen, was die Verbrennung fossiler Energieträger wie Benzin, Diesel, Heizöl oder Erdgas teurer machen würde. Dadurch sollen Menschen dazu gebracht werden, weniger davon zu verbrauchen und stattdessen Alternativen wie Elektroautos oder effizientere Heizungen zu nutzen.</p>
<p style="text-align: left;">Der Bundestag ist uneins. Während die AfD bekanntlich jeglichen Handlungsbedarf anzweifelt, befürworten SPD, Grüne und Linke die Steuer weitgehend – geeignete soziale Ausgleichsmaßnahmen vorausgesetzt. Die FDP spricht sich stattdessen für eine Ausweitung des EU-Emissionshandels aus. Die Position der Union war bisher uneinheitlich mit Hang zum FDP-Vorschlag.</p>
<p style="text-align: left;">In dieser Woche hatte sich zunächst die CSU für einen nationalen Zertifikatehandel ausgesprochen. Medienberichten zufolge verabschiedete die Unions-Fraktionsspitze dann am Mittwoch ein Papier, in dem ein Zertifikatehandel bevorzugt wird, gegebenenfalls zunächst nur in Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe zuvor erstmals klar für einen Emissionshandel plädiert. Der nationale CO<sub>2</sub>-Handel könnte dann an das europäische System angeschlossen werden.</p>
<figure style="width: 100px;" class="links"><img src="/19365501/2019-09-12-jarke-neuert-300x300-22afb5c3d6f1ef68386ebaab06e7782aece8f368.jpg" alt="" /><figcaption>Johannes Jarke-Neuert forscht zu Ressourcenmanagement und Umwelt- und Klimaschutz. Foto: privat<br /></figcaption></figure>
<p style="text-align: left;"><strong>Emissionshandel macht Elektrifizierung wirkungslos</strong></p>
<p style="text-align: left;">Erstaunlich ist an der Debatte um die CO<sub>2</sub>-Bepreisung, wie losgelöst sie vom Rest der nationalen und europäischen Klimaschutzstrategien geführt wird. Diese sehen einen umfangreichen Katalog weiterer Maßnahmen in den besagten Bereichen vor. Auch der Entwurf für das Klimaschutzgesetz spricht von einem "Maßnahmenprogramm".</p>
<p>Exemplarisch sei hier die mit Nachdruck vorangetriebene Elektrifizierung der Bereiche Verkehr und Gebäude hervorgehoben. Diese ist deswegen so wichtig, da erneuerbare Energien in der Regel nur in Form von Elektrizität nutzbar gemacht werden können. So leisten beispielsweise die Förderung der Elektromobilität oder strombasierter Brennstoffe und Wärmespeicher laut Bundesregierung "wichtige Beiträge zum Klimaschutz".</p>
<p>Die tatsächliche Klimaschutzwirkung dieser Maßnahmen hängt jedoch wesentlich von der Art des CO<sub>2</sub>-Bepreisungsinstruments ab, wie der Autor kürzlich zusammen mit seinem Kollegen Grischa Perino auf der EAERE-Jahrestagung der europäischen Umwelt- und Ressourcenökonomen in Manchester dargelegt hat.</p>
<p>Würde man dem Ansatz einer Ausweitung des Emissionshandels folgen, dann würden die Maßnahmen klimapolitisch wirkungslos, da die Bereiche Verkehr und Gebäude dann unter die Obergrenze des Emissionshandels fielen. Mehr Elektroautos sorgen dann lediglich für einen "Luftmatratzeneffekt": Druck an einer Stelle bewegt die Luft in der Matratze an eine andere Stelle, ohne aber die Luftmenge in der Matratze insgesamt zu verändern.</p>
<p><strong>CO<sub>2</sub>-Steuer lässt sich in bestehende Klimastrategie einbetten</strong></p>
<p>Würde hingegen der Umfang des bestehenden Emissionshandels beibehalten und in den verbleibenden Bereichen – darunter Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft – eine CO<sub>2</sub>-Steuer (oder CO<sub>2</sub>-Abgabe) eingeführt, dann bliebe die Wirksamkeit weiterer Maßnahmen in diesen Bereichen intakt.</p>
<p>Das liegt schlicht daran, dass die Emissionen dort variabel blieben, statt durch eine Obergrenze gedeckelt zu sein. Wird also ein Benziner durch ein Elektroauto ersetzt, dann wird dadurch tatsächlich CO<sub>2</sub> in der Atmosphäre vermieden, unabhängig davon – und das ist der Clou – wie viel Strom das Elektroauto verbraucht und wie dieser Strom hergestellt wird.</p>
<p>Wie kann das sein? Nun, die Stromerzeuger unterliegen dem Emissionshandel und dort greift die Obergrenze: Wird mehr Strom nachgefragt, dann müssen die Erzeuger diese Nachfrage entweder durch Ökostrom bedienen oder Zertifikate hinzukaufen, die beim Verkäufer entsprechende CO<sub>2</sub>-Einsparungen erfordern. In Konsequenz ist jede in den Akku eines Elektrofahrzeugs fließende Kilowattstunde Strom effektiv CO<sub>2</sub>-neutral.</p>
<p>Die CO<sub>2</sub>-Steuer verträgt sich also besser mit weiteren klimapolitischen Maßnahmen – wie der Förderung der Elektromobilität – als der Emissionshandel. Das heißt jedoch nicht, dass die Steuer grundsätzlich das bessere Instrument ist.</p>
<p><strong>Die Qual der Wahl</strong></p>
<p>Der Emissionshandel hat prinzipiell Stärken in der Steuerbarkeit und der politischen Transparenz. Er macht jedoch jede weitere Maßnahme – einschließlich freiwilliger Anstrengungen des Einzelnen – wirkungslos. Konsequenterweise liest sich der Vorschlag der FDP eben als Fundamentalansatz: universeller Emissionshandel, alles Weitere streichen!</p>
<p>Es drängt sich dennoch die Frage auf, wie realistisch eine so grundsätzliche Reform der Klimapolitik in Europa ist und ob wir es uns leisten können, darauf zu warten. Auch wenn die CO<sub>2</sub>-Steuer vielleicht nicht das prinzipiell erstbeste Instrument ist, so ließe sie sich zumindest relativ einfach und zügig in die bestehende klimapolitische Maßnahmenlandschaft einbetten.</p>
<p>In einer von inzwischen rund 1.500 Wirtschaftswissenschaftlern unterzeichneten Stellungnahme des Umwelt- und Ressourcenökonomenverbands EAERE zur CO<sub>2</sub>-Bepreisung ist genau dies bedacht worden. "Der globale Klimawandel ist ein ernsthaftes Problem, das sofortige und ehrgeizige Maßnahmen erfordert", heißt es darin. "Parallel zum EU-Emissionshandelssystem sollte eine CO<sub>2</sub>-Steuer eingeführt werden, um die Treibhausgasemissionen in den Bereichen Verkehr und Wohnen zu reduzieren."</p><p>Foto: unsplash - chuttersnap</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/18714947
2020-05-20T11:24:56+02:00
Mehr Erneuerbare heißt nicht automatisch weniger CO2
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/18715045/2019-07-09-733x414-a6e424c0aed85d29e54e0ae2d66db2abe27d70df.jpg" /><p>Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland war in der ersten Hälfte des Jahres 2019 mit 44 Prozent so hoch wie noch nie, wie der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) <a href="https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/zahl-der-woche-halbjahres-rekord-erneuerbare-energien-decken-44/">kürzlich mitteilte</a>. Entsprechend sei der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bei der Stromerzeugung im gleichen Zeitraum um rund 15 Prozent gesunken. Ein erfreulicher Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele, wie der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Stefan Kapferer, <a href="https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oekostrom-rekord-laesst-co2-ausstoss-deutlich-sinken-a-1275697.html">kommentierte</a>. Oder nicht?</p>
<p>So achtbar die Anstrengungen der Stromerzeuger auch sein mögen, unmittelbar wird dadurch keine einzige Tonne CO<sub>2</sub> eingespart. Dies liegt am Europäischen Emissionshandel (EU ETS), dem die europäischen Stromerzeuger unterliegen: Erzeuger, die CO<sub>2</sub> einsparen, werden ihre Emissionsrechte für die vermiedene Menge nicht mehr brauchen und an der Börse verkaufen. Andere Stromerzeuger oder Betreiber von Industrieanlagen, für die CO<sub>2</sub>-Einsparungen auf technischen Wegen teuer sind, werden diese Emissionsrechte kaufen und einsetzen. Unter dem Strich hat sich lediglich geändert wo die Treibhausgase ausgestoßen werden, jedoch nicht wieviel.</p>
<p><strong>Ein Weg zur effektiven CO<sub>2</sub>-Minderung: weniger Zertifikate</strong></p>
<p>Schlimmer noch: Werden auch über Preisänderungen vermittelte Anpassungen in Wirtschaftsbereichen berücksichtigt, die dem EU ETS nicht unterliegen—das betrifft immerhin rund die Hälfte des Gesamtausstoßes in der EU—kann mehr Ökostrom sogar zu <a href="https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0095069617300268">mehr Emissionen führen</a>. Nur ein Beispiel wie nationale Alleingänge in Verbindung mit dem EU ETS zu Ergebnissen führen können, die besten Absichten und den selbstgesteckten Klimaschutzzielen zuwiderlaufen<sup> 1,2,3</sup>.</p>
<p>Der unmittelbare Weg zu einer Senkung des Treibhausgasausstoßes im Rahmen des EU ETS ist denkbar einfach: Eine Verknappung der Emissionsrechte. Diese Einfachheit und die damit einhergehende Transparenz war vor fast 15 Jahren einer der Gründe für den Einsatz des Instruments. Jede Einsparung—offen und nachvollziehbar definiert in Tonnen CO<sub>2</sub>-Äquivalenten—ist eine politische Entscheidung auf europäischer Ebene. Und das war auch genau so gewollt.</p>
<p>Verweise: <a href="https://www.jstor.org/stable/10.1086/682572">1</a> / <a href="https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3356483">2</a> /<a href="https://www.nber.org/papers/w25643"> 3</a></p><p>Foto: E.Westendarp/pixelio</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/18551231
2020-05-19T17:02:16+02:00
Die CO₂-Steuer kann auch den "kleinen Leuten" helfen
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/18551185/2019-06-18-flugzeug-am-himmel-9d335bc8d8f799212bb552f9749241610129cf65.jpg" /><p><strong>Die CO₂-Steuer geht nicht zwangsläufig zulasten der "kleinen Leute". Es gibt sehr sinnvolle Wege für einen sozialen Ausgleich beim Klimaschutz – wenn die Politik es wirklich will. Professor Grischa Perino sieht einen enormen Vorteil des neuen Instruments und erinnert an Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden.</strong><br /><br />Ist die CO₂-Steuer sozial ungerecht? Folgt man der deutschen Diskussion um das Für und Wider, scheint vor allem dieses Argument gegen deren Einführung zu sprechen: Sie belastet die "kleinen Leute". Tatsächlich muss eine CO₂-Steuer, wenn sie Wirkung zeigen soll, zahlreiche Güter und Dienstleistungen teurer machen. Nämlich genau die, die mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden sind. Dazu zählen Flugreisen, Autofahren mit Diesel und Benzin, Heizen mit Gas und Öl, Konsum von Fleisch- und Wurstwaren und viele andere Dinge, die wir als selbstverständlich (und selbstverständlich günstig) empfinden. Doch solche Gewohnheiten haben keinen Ewigkeitsanspruch.<br /><br />Die genannten Bereiche zählen zu den größten Verursachern von klimaschädlichen Gasen. Deshalb sollten sie von einer CO₂-Steuer erfasst und damit teurer werden. Die Stromproduzenten und einige andere Industriesektoren bezahlen bereits über den EU-Emissionshandel einen Preis für Treibhausgasemissionen. Und ja, Sinn und Zweck einer CO₂-Steuer ist, dass sich Produktionsprozesse, Konsummuster und Verhaltensweisen ändern.</p>
<p>Die Preissteigerung träfe alle. Millionäre und Menschen mit geringem Einkommen. Ja, ein Millionär könnte es sich weiterhin leisten, mit dem Sportwagen oder SUV über Autobahnen zu brettern oder zum Brötchenholen zur nächsten Bäckerei zu fahren. Konsummöglichkeiten sind in unserer Gesellschaft ungleich verteilt. Das muss man nicht gut finden, aber eine CO₂-Steuer wird daran nicht grundlegend etwas ändern. Reiche werden weiterhin mehr konsumieren als Geringverdiener, das stimmt, hat aber im Kern nichts mit der neuen Steuer zu tun.</p>
<p><strong>Die Einnahmen könnten genutzt werden, um Transferleistungen zu erhöhen oder Sozialversicherungsbeiträge zu senken</strong></p>
<p>Richtig ist auch, dass die zusätzliche Belastung durch eine CO₂-Steuer für manche Menschen eine nicht zumutbare Härte bedeuten kann. Die soziale Schieflage könnte sich verschärfen. Das ist aber nur der Fall, wenn die Politik nicht gegensteuert. Das neue Instrument CO₂-Steuer hätte im Vergleich zu verschärften Grenzwerten, technischen Vorschriften oder Verboten einen enormen Vorteil: Es generiert Steuereinnahmen, zwangsläufig in höherem Umfang, als die "kleinen Leute" belastet werden, denn auch der Millionär zahlt ja - umso mehr, je mehr er seinen Sportwagen fährt.<br /><br />Die Einnahmen aus der CO₂-Steuer sollten genutzt werden, um Transferleistungen wie Hartz IV und Grundrente zu erhöhen und gleichzeitig die Einkommensteuersätze oder Sozialversicherungsbeiträge für geringe Einkommen zu senken. Dadurch kann die Mehrbelastung, die durch die CO₂-Steuer entsteht, mehr als ausgeglichen werden. Gleichzeitig werden durch die Senkung der Lohn(neben)kosten Arbeitsplätze geschaffen.</p>
<p>Die Idee ist keineswegs neu und wurde im Rahmen der rot-grünen Ökosteuerreform auch in Deutschland schon vor gut 20 Jahren ausprobiert. Ein ebenfalls beliebter Vorschlag ist es, die Einnahmen aus der CO₂-Steuer direkt an die Bürger auszubezahlen. So ist die Verwendung der Einnahmen transparent - und der Einwand, die neue Steuer würde nur eingeführt, um Haushaltslöcher zu stopfen, wird entkräftet. Dafür gibt es jedoch entscheidende Nachteile im Vergleich zu einer Senkung der Lohnsteuer: Der positive Effekt auf den Arbeitsmarkt fällt weg, und die Geringverdienenden können nicht gezielt entlastet werden.<br /><br />Wichtig ist, dass man sich der sozialen Folgen einer CO₂-Steuer bewusst ist. Die Maßnahmen für einen sozialen Ausgleich müssen offen diskutiert und im Paket gleichzeitig mit der Steuer eingeführt werden. Sozial ungerecht würde eine CO₂-Steuer nur, wenn das politisch so gewollt wäre. Es ist keineswegs eine Eigenschaft der Steuer, sondern eine Frage der Ausgestaltung. Macht man es richtig, fährt der Millionär vielleicht noch immer seinen Sportwagen, trägt damit aber zum sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft bei.</p>
<p>Ein Fehler darf jedoch nicht wieder passieren: Der Ausgleich sollte nicht dadurch geschaffen werden, dass bestimmte Güter, Personengruppen oder Unternehmen von der CO₂-Steuer ausgenommen werden oder nur einen geringeren Satz zu zahlen haben. Den Fehler machte die rot-grüne Bundesregierung im Rahmen der Ökosteuerreform, in diesem Fall für energieintensive Unternehmen. Sie schuf Ausnahmeregeln, die den Anreiz, Strom zu sparen, zunichtemachten. Die Ausgaben können sogar gesenkt werden, wenn weniger Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden.</p>
<p>Ohne eine beherzte Bepreisung von Treibhausgasemissionen ist der Klimawandel kaum wirksam aufzuhalten. Im Fokus der Debatte sollte deshalb stehen, wie ein ökologisch, wirtschaftlich und sozial sinnvolles Gesamtpaket geschnürt werden kann.<br /><br />Kanzlerin Angela Merkel und die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer favorisieren eine Ausweitung des EU-Emissionshandels auf weitere Sektoren. Das ist aus klimapolitischer Sicht eine sinnvolle Alternative zur CO₂-Steuer. Doch das Argument, damit die "kleinen Leute" zu schonen, ist falsch. Für die erwarteten Preissteigerungen bei Konsumgütern ist es egal, ob sie durch eine Steuer oder durch Emissionsrechte erzeugt werden. Es wird in beiden Fällen Teuerungen geben, nur ist die Ursache beim Emissionshandel für die "kleinen Leute" weniger offensichtlich. Es drängt sich der Verdacht auf: Der Emissionshandel-Vorschlag ist nur ein Versuch, der Diskussion um den sozialen Ausgleich aus dem Weg zu gehen.<br /><br /></p>
<p><em>Der Beitrag erschien als Gastkommentar in der Süddeutschen Zeitung (online am 13. Juni).</em></p><p>Foto: UHH/CEN/T. Wasilewski</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/18197609
2020-05-19T16:41:28+02:00
Warum über die CO2-Steuer breiter diskutiert werden muss
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/18197592/2019-05-10-geldscheine-c067ea6d6e7d36bd6ab7314c85bd7a81c61ebf94.jpg" /><p><strong>Die CO<sub>2</sub>-Steuer wird als Heilsbringer der Klimaziele gesehen. Doch ein hoher Preis bedeutet noch keinen politischen Erfolg für Klimapolitik. Prof. Anita Engels führt drei Gründe auf, warum die Emissions-Steuer anders debattiert werden muss.</strong></p>
<p>Im Ringen um die Umsetzung globaler Klimaziele wird die Durchsetzung eines höheren Preises für CO<sub>2</sub>-Emissionen viel diskutiert. Die Erfahrungen mit Emissionshandelssystemen sind dabei bestenfalls ambivalent: die Zertifikatspreise sind fast immer zu niedrig, die Ausnahmen zu zahlreich, die Lenkungswirkung zu schwach. Ganz zu schweigen von zahlreich bekanntgewordenen Betrugsfällen.</p>
<p>Daher setzt die aktuelle Diskussion anders an: Neben dem Emissionshandel wird gleichauf auch die CO<sub>2</sub>-Steuer diskutiert. Es geht um Mindestpreise und stärker als bisher um den Ausgleich von Verteilungseffekten: Das Kriterium der Aufkommensneutralität und die verpflichtende Reinvestition von Einnahmen aus der CO<sub>2</sub>-Bepreisung in den Umbau zu einer CO<sub>2</sub>-neutralen Wirtschaft.</p>
<p>Das sind alles wichtige Einsichten, die der Anerkennung praktischer Erfahrung mit real existierenden<br />Politikprogrammen geschuldet sind. Tatsächlich ist der Einstieg in einen mit den Pariser Klimazielen konformen Entwicklungspfad auch kaum vorstellbar, ohne dass die durch den Klimawandel entstehenden Kosten in irgendeiner Weise in den Ausstoß von Treibhausgasen eingepreist werden.<br /><br />Dennoch führt die Diskussion um CO<sub>2</sub>-Steuer am eigentlichen Kern der notwendigen Klimapolitik vorbei. Insbesondere wenn die CO<sub>2</sub>-Bepreisung nach wie vor als das Leitinstrument der Klimaschutzpolitik gilt. Es gibt zumindest drei sehr gute Gründe, warum die Diskussion dringend erweitert werden muss.</p>
<p><strong>CO<sub>2</sub>-Steuer garantiert keine erfolgreiche Klimapolitik</strong><br />In der Forderung nach weltweiter CO<sub>2</sub>-Bepreisung entsteht das Bild einer kausalen Wirkung vom hohen CO<sub>2</sub>-Preis zur erfolgreichen politischen Umsetzung von Klimazielen. Dabei ist der CO<sub>2</sub>-Preis ein politisch erzeugter Preis. Wir können derzeit in praktisch allen Vertragsstaaten sehen, dass die Umsetzung der Klimaziele am großen Widerstand mächtiger Akteure im politischen Raum scheitert.<br />Auch die rechtspopulistische Welle, die sich weltweit in vielen gewählten Parlamenten niederschlägt, trägt weiter zur Verzögerung oder gar Verhinderung der Klimaziele bei. Der durchgängig niedrige CO<sub>2</sub>-Preis spiegelt diese Situation nur wider. Das aber hat System: Solange es keine verlässlichen politischen Mehrheiten für anspruchsvolle Klimaziele gibt, wird der Preis immer zu niedrig sein.</p>
<p>Das Bild der kausalen Wirkung muss also umgedreht werden: Die Fähigkeit zur politischen Umsetzung von Klimazielen ermöglicht erst eine angemessen hohe CO<sub>2</sub>-Bepreisung. Denn: Nur dann kann die nötige Verknappung an Zertifikaten politisch herbeigeführt werden. Die zentrale Frage ist daher, wie diese politischen Mehrheiten erzeugt und erhalten werden können.</p>
<p><strong>Die Wirtschaft braucht einen verlässlichen CO<sub>2</sub>-Preis</strong><br />Eine starke Lenkungswirkung ist für alle großen Emittenten erforderlich – also für Regierungen und für große Wirtschaftsunternehmen. Das wäre anders, wenn es wie bisher nur um die schrittweise Senkung der CO<sub>2</sub>-Emissionen in den nächsten Jahrzehnten ginge.<br /><br />Ein verlässlicher CO<sub>2</sub>-Preis wäre dann ein wichtiges Signal, um den Emittenten bei ihrer Emissionsminderung zu helfen. Was das Paris-Abkommen aber erfordert, insbesondere wenn es um die Einhaltbarkeit der 1,5 Grad-Obergrenze geht, ist eine fundamentale Abkehr von der fossilen Wirtschaft. Um das zu verwirklichen müssen grundlegende Richtungsentscheidungen in Politik und Wirtschaft getroffen werden.<br /><br />Die Abkehr von den fossilen Energieträgern gibt noch keine neue Ausrichtung der Energieversorgung vor. Dabei geht es immer auch um Fragen der Versorgungssicherheit, der Verteilungsgerechtigkeit und schließlich der internationalen Verflechtung. Allein durch die CO<sub>2</sub>-Steuer wird hier keine Lenkungswirkung erreicht. Zusätzlich ist komplexes Regierungs- und Verwaltungshandeln erforderlich, um die Abstimmung zwischen verschiedenen Politikfeldern zu koordinieren und Mehrheiten für langfristige Infrastrukturentscheidungen herzustellen.<br /><br />Für Wirtschaftsunternehmen gilt das in ähnlicher Weise. Energieerzeugende und energieintensive Unternehmen müssen für die Erreichung der Klimaziele vollkommen neue Geschäftsmodelle entwickeln – sie müssen sich selbst neu erfinden. Eine hohe Bepreisung, die sie vom bisherigen Geschäftsmodell wegtreibt, vermittelt ihnen noch keine tragfähige Idee, mit welchen Produkten sie in der Zukunft noch überlebensfähig sein werden. Angesichts der unzureichenden Lenkungswirkung wäre es daher angemessen, nicht mehr von der CO<sub>2</sub>-Bepreisung als dem Leitinstrument des Klimaschutzes zu reden.</p>
<p><strong>Geld reicht nicht aus, um die Gesellschaft zu verändern</strong><br />Über Preise und Kosten lassen sich viele Anreize schaffen und Motivationen verändern. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die erforderliche gesellschaftliche Transformation, die ein nicht-fossiles Entwicklungsmodell ermöglicht, viel umfangreicher und vielschichtiger sein muss, als durch monetäre Anreize zu erreichen ist.<br /><br />Eine solche Transformation benötigt eine breite Trägerschaft, neue Allianzen und innovative Lebensformen. Sie kann sich nicht darin erschöpfen, dass Individuen sich als Konsumenten einschränken und als Wähler unangenehme Maßnahmen akzeptieren. Es müsste vielmehr gelingen, Kreativität und Unternehmertum quer über alle Schichten hinweg zu mobilisieren und tragfähige Solidaritätsformen zu ermöglichen.</p>
<p>Geld ist ein abstraktes Medium, das gerade dadurch erstaunliche Dynamik in Gang setzen kann. Aber die Monetarisierung von sozialen Prozessen kann auch gerade Motivationslagen untergraben und Solidaritätsmöglichkeiten zerstören, die für die Klimatransformation erforderlich wären. Soziale Phantasie und unternehmerische Begeisterung werden nicht allein durch CO<sub>2</sub>-Bepreisung zu erreichen sein.</p>
<p>Der Zusammenhang von Treibhausgas-Emissionen und der eigenen Lebensweise ist für viele Menschen nach wie vor zu abstrakt, es fehlen daher inhaltliche Konkretisierungen. Nicht zuletzt deshalb suchen derzeit viele Klimaaktivisten nach neuen Narrativen, die den Transformationsprozess unterstützen können. Eine zu enge Fokussierung auf den CO<sub>2</sub>-Preis – und damit auf die Kosten – steht dem erforderlichen breiten Transformationsverständnis eher entgegen.</p>
<p><em>Dieser Gastbeitrag von Prof. Anita Engels erschien am 04.05.2019 im Handelsblatt.</em></p><p>Foto: Christian Dubovan/ Unsplash</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/11017439
2020-05-22T13:48:50+02:00
Emissionshandel: „Ein machtvolles Instrument, aber inzwischen viel zu kompliziert“
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/11017400/2018-04-13-grischa-perino-uhh-a1f6148effe84a02dd17f1d00762764f1b754406.jpg" />Die EU hat ihren Emissionshandel zum wiederholten Mal überarbeitet, noch bevor die vorherige Reform in Kraft getreten ist. Grischa Perino, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, hat die geplanten Änderungen für Nature Climate Change unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Die geplanten Änderungen werden bisherige Schwachstellen des Systems nicht dauerhaft beheben, könnte andere politische Maßnahmen zum Klimaschutz untergraben – und sind so kompliziert, dass ihre Auswirkungen kaum zu überblicken sind. <p>Foto: UHH/RRZ/MCC/Mentz</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/10491784
2020-05-22T13:48:37+02:00
Energiewende: Wenn Maisfelder zum Zankapfel werden
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/10491744/2018-02-13-energielandschaft-733x414-39ecacb286c717b52c78cc5034132437a407b710.jpg" />Mit der Energiewende hat sich der Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland in den letzten Jahren stark erhöht. Auch deswegen stoßen Windränder, Biogasanlagen oder Solarfelder immer wieder auf Kritik: Lassen sich solche Konflikte im Vorfeld umschiffen?<p>Foto: pixelio.de/E. Lorenzen</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/8085966
2020-06-11T12:07:38+02:00
Weniger Emissionen in Straßenverkehr und Landwirtschaft bringen mehr als der Kohleausstieg
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/8088512/grischa-perino-cop23-klimaschutz733x414-e2429ea9eb6f549a6d2566dfc5f941f625a78764.jpg" /><p><strong>Noch bis zum 17. November tagen in Bonn Delegierte aus aller Welt, um sich über gemeinsame Klimaziele zu verständigen und ein System zu entwickeln, wie Beiträge einzelner Staaten zum Klimaschutz messbar werden. Einst galt Deutschland international als Vorreiter im Klimaschutz, mittlerweile ist klar: Deutschland wird seine Klimaziele verfehlen, auch weil die Wirtschaft nicht genügend Anreize erhält für einen effektiven Klimaschutz. Der Volkswirt Prof. Dr. Grischa Perino forscht zur Ökologischen Ökonomie. Im Interview erklärt er, welche Maßnahmen zu effektivem Klimaschutz führen könnten.</strong></p>
<p><strong>Käme das Verfolgen der selbst gesetzten Klimaziele einem „industriellen Selbstmord gleich“, wie FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorf kürzlich in einem Interview behauptete? Sind Ökonomie und Ökologie wirklich derart unvereinbare Gegensätze?</strong></p>
<p>Die deutschen Klimaziele für 2020 jetzt noch zu erreichen, würde aufgrund der verbleibenden Zeit und der Größe der erforderlichen zusätzlichen Einsparungen nur mit drastischen Maßnahmen möglich sein. Die Emissionen müssten in den verbleibenden Jahren mehr als dreimal so schnell fallen, wie sie dies im Durchschnitt seit 1990 getan haben.</p>
<p>Ein großer Teil der erreichten Reduktionen wurde jedoch bereits in den Jahren vor 2000 durch die Stilllegung von Anlagen aus Zeiten der DDR erreicht. Seit 2009 sind die Treibhausgasemissionen laut dem Umweltbundesamt in Deutschland nahezu gleich geblieben.</p>
<p>Wichtiger als im Hauruckverfahren noch schnell die Ziele für 2020 einzuhalten ist meines Erachtens, dass jetzt in Deutschland und der EU die Weichen gestellt werden, um die Ziele für 2030 und 2050 zu erreichen.</p>
<p><strong>Aber was wären geeignete Maßnahmen, damit Deutschland doch noch das selbst gesteckte Ziel, die klimaschädlichen Emissionen bis 2020 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken, einhalten kann?</strong></p>
<p>Einer der am häufigsten diskutierten Vorschläge ist der Kohleausstieg. Durch das schnelle Abschalten von deutschen Kohlekraftwerken könnten die deutschen Treibhausgasemissionen tatsächlich deutlich reduziert werden.</p>
<p>Aufgrund des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS), das eine EU-weite Obergrenze für Treibhausgase in zahlreichen Sektoren, darunter die Stromwirtschaft, festlegt und handelbare Emissionszertifikate generiert, stände der Reduktion deutscher Emissionen jedoch eine ähnlich große Erhöhung der Emissionen in anderen Mitgliedsstaaten gegenüber.</p>
<p>Die durch die Abschaltung der Kraftwerke freiwerdenden Zertifikate verschwinden nicht, sondern werden an anderer Stelle, z.B. in einem ausländischen Kraftwerk oder einer deutschen Aluminiumhütte verwendet. Dem Klima ist es aber egal, wo eine zusätzliche Tonne ausgestoßen wird.</p>
<p>Darum ist es wichtig, die deutschen Anstrengungen auf die Sektoren wie Straßenverkehr, dezentrale Wärmeerzeugung und Landwirtschaft zu konzentrieren, die nicht dem EU-ETS unterliegen, und gleichzeitig das EU-ETS zu stärken.</p>
<p>Letzteres geschieht – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – in diesen Tagen in Brüssel. Die Obergrenze wird bis 2030 deutlich stärker reduziert als dies unter den bisherigen Regeln der Fall gewesen wäre.</p>
<p><strong>Laut Umweltbundesamt war der wachsende Verkehr verantwortlich für den Anstieg des CO2-Ausstoßes im Jahr 2016. Warum tut sich bspw. die Autoindustrie so schwer, einen Beitrag dazu zu leisten, den CO2-Ausstoß zu verringern?</strong></p>
<p>Das hat verschiedene Gründe: Einerseits ist es eine technische Herausforderung, ohne fossile Energieträger eine hinreichend große Energiemenge mit möglichst geringem Gewicht auf kleinem Platz zu speichern, um damit die Reichweiten- und Komforterwartungen der Autokunden zu befriedigen.</p>
<p>Für die deutschen Hersteller verschärft sich dieses Problem aufgrund der von ihnen vorrangig bedienten Marktsegmente noch einmal. Für Wagen der gehobenen Mittel- und Oberklasse sowie Sportwagen sind die Leistungserwartungen und damit in der Regel der Energiebedarf noch größer. Hinzu kommt, dass es zum Teil für die Firmen erfolgsversprechender zu sein schien, sich für laxere Regulierung als für sauberere Antriebe stark zu machen.</p>
<p><strong>Was wäre hier die Lösung?</strong></p>
<p>Um die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren, bedarf es eines Bündels von Maßnahmen. Neben strikteren Vorgaben für die Fahrzeuge selbst sind insbesondere Investitionen in klimafreundliche Infrastruktur sinnvoll. Dazu zählen neben Ladestellen für Elektroautos insbesondere attraktive Angebote des öffentlichen Nahverkehrs, des Gütertransports auf Schienen, gute und sichere Radwegenetze in Innenstädten und eine Städteplanung, die Verkehrsaufkommen reduziert.</p>
<p>All dies wird aber erst nach 2020 seine volle Wirkung zeigen.<br /><br /></p>
<p><em>Das Interview führte Giselind Werner.</em></p>
<p>Dieser Artikel erschien zuerst auf der Seite der <a href="https://www.uni-hamburg.de/newsroom/im-fokus/2017-11-14-klimakonferenz-eu-ets-perino.html" target="_blank">Universität Hamburg</a>.</p><p>Foto: UHH/RRZ/MCC/Mentz</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/7127702
2020-06-25T10:00:28+02:00
Wie kleine Mixer im Meer: Offshore-Windräder
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/7127692/2017-08-17-abendblatt-floeter-owp2-733x414-e346e5897b6e380c0fe84093381f638dd335f15a.jpg" />Vor der deutschen Küste schießen sie wie Pilze aus dem Boden: Offshore-Windparks. Dutzende Windräder, jedes über 100 Meter hoch, erzeugen Strom aus erneuerbaren Energien für unsere Haushalte. Aber stören solche Anlagen das Ökosystems im Meer? Oder haben sie sogar positive Auswirkungen?<p>Foto: UHH/CEN/Floeter</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/4178389
2020-06-04T13:10:55+02:00
Wie wirkt Offshore-Windkraft auf Ökosysteme in der Nordsee?
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/4178415/2016-06-23-triaxus-offshore-wind-park-d6d5d7ed6761bf5375252fd6aefbc77c4b9e78b8.png" />Heute startet das Forschungsschiff Heincke zu einer zweiwöchigen Seereise in die Deutsche Bucht. Ziel ist es, die Auswirkungen der Offshore-Windkraft... <p>Foto: UHH/CEN</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/3522731
2020-06-04T13:10:55+02:00
Flächennutzung kontra Landschaftsbild - wie viel Raum braucht die Energiewende?
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/3522791/2016-02-03-energielandschaften207x142-ca2f4c47128af0f2f213e9b9a0b86aa36f2da5b0.png" />Internationale Klimapolitik und Atomausstieg treiben die Energiewende in Deutschland voran. Doch welche Flächen stehen für den Ausbau der erneuerbaren...<p>Foto: </p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/3429636
2020-06-04T13:10:42+02:00
Offshore-Windparks: Deutschland subventioniert zu großzügig
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/3429658/2016-01-21-funke-offshore-78dfddfccc9d25cf170ac1aea8ef28cb65c7f339.jpg" />Klimaforschung im Hamburger Abendblatt: Gastbeitrag von Michael Funke zur Förderung von Offshore-Windparks.<p>Foto: UHH/CEN</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/3000213
2020-06-04T13:10:40+02:00
Große Offshore-Windparks kühlen Küste leicht ab
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/3000736/20150821-windpark-207x142-872a5283f5c7ad74e89c2dc71d13e27b865f0764.jpg" />Das Prinzip ist alt wie die Windmühle: Weht der Wind stark genug, drehen sich die Flügel und wandeln die Energie der bewegten Luft in mechanische Energie um ...<p>Foto: UHH</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/2918716
2020-06-04T13:10:48+02:00
Intakte Natur hilft, Treibhausgase zu reduzieren
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/2918693/20150727-moor-207x142-521bf300fdba07b9306302e263b62d9a53393291.jpg" />Mais und Raps soweit das Auge reicht – Pflanzen, die zu Biogas und Biodiesel verarbeitet werden, prägen viele Äcker Europas. Bioenergie gilt als klimafreundlich ...<p>Foto: UHH/CEN/S. Beddig</p>
tag:www.cen.uni-hamburg.de,2005:NewsroomArticle/14579590
2020-05-26T13:00:19+02:00
Hoher CO2-Ausstoß drückt Wert eines Unternehmens
<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/14579578/2013-11-15-bassen-abendblatt-dcbad0bca9e4bff7f85eea00bbe14d4208a0cf17.jpg" /><p><strong>Neues aus der Klimaforschung: Einmal im Monat berichten Klimaforscher im Hamburger Abendblatt über aktuelle Erkenntnisse. Alexander Bassen untersucht, wie sich der Emissionshandel auf Unternehmen auswirkt.</strong></p>
<p>Seit Einführung des Europäischen Emissionshandels hat CO<sub>2</sub> einen Preis: Unternehmen mit besonders hohem Ausstoß müssen Emissionszertifikate kaufen – also das Recht, CO<sub>2</sub> zu emittieren. Klimafreundliche Unternehmen können dagegen Zertifikate verkaufen und so Mehreinnahmen erwirtschaften.</p>
<p>Aber ändert sich durch den Emissionshandel überhaupt etwas für die Unternehmen? In der Theorie sollen CO<sub>2</sub>-Zertifikate einen Anreiz zu klimaschonender Produktion bieten. Das funktioniert aber nur, wenn sie sich als Gewinne oder Verluste bemerkbar machen – sind Emissionsrechte zu billig, geht der Anreiz verloren. Problematisch ist es auch, wenn die Unternehmen ihre höheren CO<sub>2</sub>-Kosten einfach an die Verbraucher weiterreichen. Den Preis für zu hohe Emissionen zahlen dann die Kunden. Dies ist in der Energiebranche der Fall, wie wissenschaftliche Studien gezeigt haben.</p>
<p>Am KlimaCampus haben mein Kollege Nicolas Koch und ich erstmals untersucht, ob CO<sub>2</sub>- Emissionen dennoch den Wert von Energieunternehmen beeinflussen. Anders als die jährlich veröffentlichten Bilanzen spiegelt der Unternehmenswert auch Erwartungen für die Zukunft wider. Ist das Unternehmen für kommende Herausforderungen – zum Beispiel aus der Klimapolitik – gewappnet, sind das gute Bedingungen für einen hohen Wert. Um dies zu berechnen, haben wir uns einige große Versorger angesehen: Welchen Strommix produziert das Unternehmen? Kohle, Gas oder Erneuerbare? Wie modern sind seine Kraftwerke? Vor allem hat uns interessiert, ob sich Investitionen in emissionsarme Technologien rechnen würden.</p>
<p><strong>Neue Kraftwerke: lohnt sich der Umstieg?</strong><br />Vor dieser Frage stehen die Stromversorger übrigens selbst gerade, denn viele Anlagen sind alt und müssen ohnehin modernisiert werden. Da Kraftwerke für eine lange Lebensdauer konzipiert werden und der Neubau kostenintensiv ist, müssen Investitionsentscheidungen wohl überlegt sein. Wichtig ist auch, dass zukünftig weniger Zertifikate kostenlos an die Unternehmen verteilt und mehr Zertifikate versteigert werden. Abgeschafft werden soll außerdem das so genannte „grandfathering“: Wie viele kostenlose Zertifikate ein Unternehmen erhält, wird dann nicht mehr anhand seiner früheren Emissionen berechnet. Grundlage sind dann vielmehr die CO<sub>2</sub>-Einsparungen, die das Unternehmen mit klimaschonender Technologie erreichen könnte. Beides wird dazu führen, dass CO<sub>2</sub>-Zertifikate teurer werden.</p>
<p>In unserer Studie haben wir Daten aus über 450 Kraftwerken analysiert und zwei Szenarien durchgespielt: Was passiert, wenn die Versorger ihre alten Anlagen durch Anlagen desselben Typs ersetzen? Was, wenn sie stattdessen in emissionsarme Technologien investieren? Berechnungsgrundlage waren die selbstgesteckten Emissionsziele der Unternehmen. In beide Szenarien haben wir außerdem weitere Faktoren einbezogen, etwa Rohstoffpreise, Lebensdauer der Anlagen und Wachstumsraten bei CO<sub>2</sub>-Preisen. Das Ergebnis: Der Unternehmenswert leidet eindeutig unter zu hohen Emissionen. Im Jahr 2020 werden Unternehmen, die ihre Emissionsziele ernst nehmen, bis zu 26 Prozent mehr wert sein als bei ungebremster Emission. Verantwortlich ist die zu erwartende Preisentwicklung für CO<sub>2</sub>-Zertifikate. Das heißt: Investitionen in emissionsarme Stromproduktion sind nicht nur klimaschonend, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Voraussetzung ist, dass die gesetzlichen Vorgaben stabil bleiben.</p><p>Foto: UHH/CEN/S. Janssen</p>